Kritik

Ryan Gosling in "The Fall Guy": Action oder Romantik?

"The Fall Guy" ist der amüsante Versuch, das stuntlastige Actiongenre zur Romantischen Komödie auszuweiten - auch mit Hilfe von Emily Blunt
von  Adrian Prechtel
Kurze totale Erschöpfung nach schwieriger Wiederannäherung vor dem Finale: Emily Blunt als Regisseurin mit ihrem geliebten Stuntman Ryan Gosling.
Kurze totale Erschöpfung nach schwieriger Wiederannäherung vor dem Finale: Emily Blunt als Regisseurin mit ihrem geliebten Stuntman Ryan Gosling. © UPI

"Einen Colt für alle Fälle" hat Ryan Gosling nicht dabei. Er ist auch kein Kopfgeldjäger mehr, der Angeklagte, die nach Zahlung einer Kaution untergetaucht sind, wieder einfängt wie in "The Fall Guy" - der TV-Serie der 80er Jahre. Jetzt ist dieser Prügelknabe Colt Seavers nur noch Stuntman - einer der tief fällt: ein Dutzend Stockwerke in einem Atrium eines Hochhauses in L. A. Ein Arbeitsunfall. Alles gebrochen, auch innerlich, Traumata, Gipsbett, danach ein Jahr Reha und dann ein Hilfsjob als Einparker in einem Tex-Mex-Restaurant.

Ryan Gosling ist auch als Colt Seavers eine Art Ken

Ryan Gosling ist hier von seinem Ken aus "Barbie" charakterlich gar nicht so weit entfernt: nett, viril, aber natürlich cooler, dabei durchaus sensibel - und als Stuntman natürlich endlich oscarreif. Denn der Film ist eine Hommage an den Knochenbrecherberuf, in dem man fast anonym den Kopf hinhält für irgendeinen Star. Da trifft es sich gut, dass Regisseur David Leitch selbst mal Stuntman war. Und Ryan Gosling ist ja auch als härterer Typ bekannter geworden - zum Beispiel als krimineller Raser 2011 in "Drive", ehe er romantischer wurde wie als Jazzpianist in "La La Land".

Emily Blunt als Judy Moreno und Ryan Gosling als Colt Seavers in  "The Fall Guy".
Emily Blunt als Judy Moreno und Ryan Gosling als Colt Seavers in "The Fall Guy". © Universal Pictures

Er ghostet - verschwindet einfach

Als Seavers in "The Fall Guy" war er vor dem Stunt-Unfall in einer wunderbaren Liebesbeziehung - mit einer Frau, die ebenfalls im Filmbusiness tätig ist, einer Kamerafrau: Jody Moreno, gespielt von Emily Blunt. So wird "The Fall Guy" letztlich von einer Liebesgeschichte zusammengehalten. Gestört durch das, was man neudeutsch ghosten nennt: sein plötzliches von der Bildfläche Verschwinden. Ein Horror für die Verlassene, die von jeglicher Aussprache- und Kommunikationsmöglichkeit hilflos abgeschnittenen ist.

Eine Romcom? Ja, aber vorallem doch Actionfilm

"The Fall Guy" ist aber kein Psycho-, sondern bleibt vor allem ein Actionfilm. Was man auch an psychologischer Unterbelichtung merkt - wie der etwas nebulösen Motivation von Seavers erst ab- und dann wieder aufzutauchen. Aber als Actionfilm lebt "The Fall Guy" eben von Stunt-Szenen.

Emily Blunt als Regisseurin in "The Fall Guy" ist ein gutes, emanzipiertes Zugpferd, um Frauen für Action zu gewinnen.
Emily Blunt als Regisseurin in "The Fall Guy" ist ein gutes, emanzipiertes Zugpferd, um Frauen für Action zu gewinnen. © UPI

Die wiederum führen beim Zuschauer oft zu Ermüdung, weil sich eine Reihung trotz sich überschlagender Geschwindigkeit, Stahlfunkenflug und Crashs dennoch abnutzt. Dass sie es hier weniger tun, liegt an dramaturgischen Kunstgriffen - wie einer eingewobenen James-Bond-Geschichte - mit einem ins Brutal-Mafiöse untergetauchten Filmstar (Aaron Taylor-Johnson).

Die Produzentin geht über Leichen

Jeden Tag, den dieser teure Typ nicht auftaucht, kostet die Produzentin (Hannah Waddingham) eine Million Dollar. Und die geht für ihren Film über Leichen, was auch noch einen witzigen Krimi-Aspekt mitbringt - inklusive des Gags eines satirischen Blicks hinter die Kulissen Hollywoods. Aber diesen hier gerade steckengeblieben Actionfilm dreht eine ehemalige Kamerafrau, die damit ihr Regiedebüt gibt: Jody Moreno, also Seavers große Liebe.

Sadistische Rache mit Flammenwerfer

Er lässt sich also von der Produzentin überreden, die Stunts in Morenos Film zu übernehmen, ohne dass die von seinem Engagement weiß. Als es auffliegt, grillt sie ihn, der alles vermasselt hat, aber sie immer noch liebt: Fünf Mal hintereinander lässt sie eine Szene drehen, in der Colt als Stuntman von Flammenwerfern traktiert und an einem Felsen zertrümmert wird: reiner Rache-Sadismus als Bewährungsprobe.

Ryan Gosling und Emily Blunt bei der Europapremiere des Films «The Fall Guy».
Ryan Gosling und Emily Blunt bei der Europapremiere des Films «The Fall Guy». © Christoph Soeder (dpa)

Ungenutztes Zuschauerpotenzial

So ist "The Fall Guy" auch Amüsement und action-reich, aber dabei so in rote Rosen gebettet, dass man ahnt, welche Intention hinter diesem Film mit den beiden Blockbuster-Nebenrollen-Stars aus "Barbie" und "Oppenheimer" auch steckt: endlich mehr Frauen für das Genre des Actionfilms zu gewinnen. Denn in einem geistreichen, witzigen Romcom-Actionfilm steckt noch ungenutztes Zuschauerinnenpotenzial. Emily Blunt (die als Kitty Oppenheimer oscarnominiert war) ist hierfür ein gutes, emanzipiertes Zugpferd. Als Jody Moreno hat sie zwar keine Rolle ganz auf Augenhöhe mit Goslings Seavers - aber fast und jedenfalls immer dann, wenn sie im Film zusammentreffen. Da ist sie eine starke Frau, die - auch beruflich - weiß, was sie will. Und er ist ein etwas befangener, aber wirklich cooler Mann.

Ob der Film aber wirklich, wie behauptet, zu einer neuen Oscar-Kategorie "Beste Stuntwoman oder bester Stuntman" führen wird?

Kino: Arri, Bayerischer Hof, Cadillac, Cinemaxx, Leopold, Royal und Mathäser (auch OmU und OV), Monopol (OmU) sowie Cinema, Museum (OV)
R: David Leitch (USA, 127 Min.)

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