Helden des Alltags

Nach wie vor kämpft Ken Loach für Gerechtigkeit und dreht dabei schöne Filme wie „The Angels’ Share”
Margret Köhler |
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Bei dieser elitären Branche macht es Spaß, wenn sogenannte ,Loser’ das ganze Bohei um die Destillation und das teuere Geschäft mit dem Edelgetränk ad absurdum führen”: Ken Loach erzählt in seinem neuen Film „The Angels’ Share” augenzwinkernd, wie ein Kleinkrimineller und seine drei Kumpel bei einer Versteigerung in Schottland den teuersten Single-Malt-Whisky der Welt klauen.

Vor zwei Jahren wurde der Brite beim Festival de Cannes für sein Lebenswerk ausgezeichnet, in diesem Jahr gewann er für dieses Kabinettstückchen den Preis der Jury. Trotz aller Ehrung bleibt er cool auf dem (roten) Teppich. Der unermüdliche Kämpfer für diejenigen mit der „Arschkarte” im Leben legt gerne den Finger auf die Wunde. Ihn ärgern Stereotypen: „Jugendliche gelten oft als faule Hunde, die nicht arbeiten wollen, beim Staat die Hand aufhalten und sich einen schönen Lenz machen wollen. Das Gegenteil ist der Fall. Sie wollen arbeiten und keinem auf der Tasche liegen. Natürlich hätten wir eine traurige Geschichte erzählen können, aber wir wollten den aufmüpfigen Geist dieser Kids vermitteln”.

Loach und sein Drehbuchautor Paul Laverty sind seit 16 Jahren ein Team, teilen die gleichen Grundansichten, sehen die Welt aus dem gleichen Blickwinkel und lachen über die gleichen Dinge. „Je länger wir gemeinsam arbeiten, umso ehrgeizigere Ziele können wir uns setzen wie diese Komödie über arbeitslose Jugendliche. Je sicherer man sich fühlt, um so wagemutiger wird man” erklärt Loach. Der 76-Jährige wirkt wacher und neugieriger als mancher 25-Jährige und lässt sich vom Glamour an der Croisette und den Champagner trinkenden Promis am Nebentisch nicht beeindrucken.

Unbeirrbar weist der bekennende Trotzkist darauf hin, was falsch läuft in Großbritannien und stellt in Frage, was als normal gilt. Die Arbeiterklasse ist seit Jahrzehnten seine Inspiration, die „übliche Herablassung” fuchst ihn. Seine Helden des Alltags versuchen, ihr Schicksal aktiv zu ändern, sind „keine Opfer”.

„The Angels’ Share” ist sanfter als frühere Filme. Ist er etwas altersmilde? Loach lacht: „Taffer vielleicht”. Einen „kleinen Hauch von Optimismus” gebe es, „ein Quäntchen Fantasie. Hier ist das Ende gut. Robbie hat eine Zukunft, was mit den drei anderen passiert, bleibt offen. Vielleicht fahren sie voll gegen die Wand. Nach ,Route Irish’ wollten wir mal einen Film drehen, der nicht runterzieht, bei dem der Zuschauer lächeln kann”. Trotz bissigem Humor dürfe man nicht vergessen, dass das britische Sozialsystem eine ganze Generation im Stich lasse.

„Den Jungen fehlen die Vorbilder, der Halt. Früher lernten sie durch die Arbeit mit Älteren, erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Diese ganze Arbeitskultur ist jetzt kaputt”. „Auf die Palme” bringt ihn der Begriff Sozial-Realismus: Kein Regisseur setze sich hin, runzele die Stirn und rufe, jetzt mache ich einen sozial-realistischen oder – noch schlimmer – einen sozialkritischen Film. Genauso dumm sei es zu behaupten, er würde politische Filme drehen: „Politik bzw. die Wirkung von Politik ist überall, die findet sich im letzten privaten Winkel wieder”.
Seit Ende der 1960er Jahre prägt Loach das britische Kino, ein Kino, das die gesellschaftliche Situation widerspiegelt – realistisch, aber nie larmoyant. Der Sohn eines Elektrikers und studierte Jurist gehört heute zu den angesehensten europäischen Filmemachern, ließ sich auch in der Thatcher-Ära nicht durch Zensur und Sendeverbot einschüchtern.
Ken Loachs Maxime heißt Gerechtigkeit, „die kriegt man nicht geschenkt. Dafür muss man kämpfen”. Und das wird er auch in Zukunft tun. 

Kino: ABC, Atelier (OmU), Cinema (OV), City, Monopol (auch OmU), Solln
R: Ken Loach (GB, 101 Min.)

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