Halle Bailey begeistert als neue "Arielle, die Meerjungfrau"

"Ihre Haut war so rein und fein wie ein Rosenblatt, ihre Augen so blau wie die tiefste See, aber ebenso wie alle anderen hatte sie keine Füße; der Körper endete in einem Fischschwanz."
Hans Christian Andersens detaillierte Beschreibung trendete im Juli 2019 wieder auf Twitter – 182 Jahre nach der Veröffentlichung seiner "kleinen Meerjungfrau".
Halle Bailey als neue Meerjungfrau: Wut und Empörung im Netz
Der Anlass war jedoch alles andere als märchenhaft romantisch. Empörung entlud sich in den (A)Sozialen Netzwerken, als das erste Szenenbild der Disney-Neuverfilmung von "Arielle, die Meerjungfrau" veröffentlicht wurde. Halle Bailey war dort zu sehen.

Eine schwarze R'n'B-Sängerin, die sich nach langem Casting durchgesetzt hatte und Andersens Beschreibung der später auch porzellanweißen Zeichentrickfigur inakzeptabel widersprechen würde.
Diese rassistisch eingefärbte Empörungswelle sollte beim Betrachten des fertigen Films hoffentlich verstummen.
Halle Bailey überzeugt im Disney-Remake "Arielle, die Meerjungfrau"
Denn gerade Halle Bailey ist es, die "Arielle, die Meerjungfrau" mit ihrem Charisma und ihrer (im englischen Original) umwerfenden Gesangsstimme über das Gros der bisher lediglich an den Kinokassen überzeugenden Disney-Remakes wie "Die Schöne und das Biest" oder "Aladdin" hebt.
Musical-Routinier Rob Marshall ("Chicago", "Mary Poppins' Rückkehr") geht in seiner aufwendigen Realverfilmung ansonsten auf Nummer sicher, erzählt brav die Stationen des Zeichentrickklassikers nach.
Ein Prinz bringt die Meerjungfrau-Handlung in Schwung
Mit einer Meerjungfrau im Zentrum, die sich gefangen fühlt im schier endlos weiten Meer, weil der besorgte wie engstirnige Vater, König Triton (Javier Bardem mit Rauschebart), ihr doch verbietet die Welt da draußen, sprich die der Menschen, kennenzulernen.

Und auch hier ist es ein Prinz, Eric (Jonah Hauer-King), der die Handlung in Schwung bringt, als er bei einem Schiffsunglück von Arielle gerettet werden muss.
"Arielle, die Meerjungfrau": Hexe Ursula als Drag Queen
Für das schleichende Gift in der keuschen Liebe des ungleichen Paars sorgt erneut die optisch an eine Drag Queen angelegte Meer-Hexe Ursula (Melissa McCarthy), die eine naive Arielle davon überzeugt einen teuflischen Pakt mit ihr einzugehen.
Wie die dann stumme Meerjungfrau trotz tierischer Unterstützung nun auf die harte Tour lernen muss ihre eigene Stimme zu finden und endlich ihren Gefühlen zu vertrauen verfehlt auch im Jahr 2023 nicht seine Wirkung.
Großartiger Technik zum Trotz: Die Unterwasserwelt wirkt verkitscht
Überraschend ist jedoch, dass von den Möglichkeiten, die die Tricktechnik heute bereitstellt, wenig zu sehen ist. Gerade die bunte Unterwasserwelt wirkt künstlich verkitscht, weit weg vom schillernden Detailreichtum eines "Avatar".

Kenner des immer noch zauberhaften Originals werden sich auch über die Lauflänge wundern. Ganze 50 Minuten wurden trotz gleicher Chronologie der Ereignisse auf die Zeichentrickversion gepackt.
Erklären lässt sich das durch neue Songs (darunter auch eine witzige Rapeinlage des sprechenden Basstölpels Scuttle) und dem Bemühen, der menschlichen Gegenwelt der sich emanzipierenden Arielle mehr Tiefe zu verleihen.
Der Meerjungfrau-Prinz fühlt sich unfrei in seiner Haut
Der Prinz, von Newcomer Jonah Hauer-King sympathisch unbeholfen verkörpert, ist nun wie Arielle jemand, der sich unfrei fühlt in seiner Haut. Ein junger Mann, der seine Adels-Fesseln sprengen will, zu Gunsten eines unbestimmten, neugierig-ziellosen Lebens.
In der Zweisamkeit des Grenzen überschreitenden Paars gelingt dem ansonsten konventionellen Film etwas, wofür Disney früher einmal stand: dem unzynischen Ausleben ungezügelter Gefühle.
Kino: Arri, Cadillac & Veranda, Cinema (OV), Cinemaxx, Gloria, Kino Solln, Leopold, Mathäser, Museum Lichtspiele (OV), Royal R: Rob Marshall (USA, 135 Min.)