"Grüße aus Fukushima": Zwischen Schutt und Menschen
Gleich vorweg: Doris Dörrie spielt in diesem Film nicht mit der Katastrophe von vor genau fünf Jahren, als ein Tsunami an der japanische Ostküste drei Reaktorblöcke des Kernkraftwerkes der Gegend zur Kernschmelze brachte. Denn die Verwüstungen und die heutige Todeszone sind nur der ungewöhnliche, bizarre und doch ganz realistische Raum, in den die Geschichte zweier gegensätzlicher Menschen gesetzt wurde, die sich annähern.
Die Drehbuchautorin und Regisseurin empfindet eine liebende, kenntnisreiche Bewunderung für Japan und seine uns fremde Kultur. So folgen wir einer jungen Bayerin (Rosalie Thomass) nach einer gescheiterten Traum-Zweisamkeit im Oberbayerischen. Sie will als Clown der heimatlosen Bevölkerung von Fukushima helfen, die in Camps leben muss.
Die Lehren der "verwöhnten Kuh"
Doris Dörrie lässt in ihrem schwarz-weiß gedrehten „Grüße aus Fukushima“ auch befremdende Bilder wunderbar stehen. So begegnen wir auch einem Menschen, der in einem Werbe-Katzen-Kostüm am Bahnhof von Fukushima steht und Passanten grüßt. Und im Gegenblick der Anderen bemerken wir plötzlich unsere europäisch-westliche Stillosigkeit, so wenn die burschikose Marie breitbeinig dasitzt: „You are so elegant“, hatte sie sich noch über ihre Gastgeberin, eine ehemalige Geisha, gewundert. Was diese aber schroff kontert mit: „And you are an elephant!“
Die erste Lehre von einer, die auszog, das Leben zu lernen, wird sein, dass man vor sich selbst nicht fliehen kann. Und als Marie nach ersten Widerständen sofort das Handtuch wirft, wird sie gefragt, warum sie dann überhaupt gekommen sei: „Weil ich dachte, wenn ich Leute sehe, denen es beschissen geht, es mir besser geht, ich verwöhnte Kuh!“
Die Geisha ist in die verbotene Zone zurückgekehrt, Marie folgt ihr. Und hier – im apokalyptischem Niemandsland – gibt es auch Geister der Vergangenheit, die Dörrie als Teil der japanischen Glaubenskultur ganz natürlich einbaut, ohne dabei Gespenstergeschichten zu erzählen. Eher sind es ungelöste innere Konflikte, die sich hier magisch zeigen. Wie in jeder guten Freundschaft wächst letztlich jeder am anderen, kann dann loslassen und dann freier, autonomer sein eigenes Leben weiterleben.
Das ist eine ganz klassische Geschichte, die künstlerisch, kunstvoll und doch so natürlich erzählt ist, dass sie uns unaufgeregt bereichert.
Kinos: ABC-Kino, City Kinos, Rio Filmpalast, Studio Isabella R: Doris Dörrie (Deutschland, 108 Min.)
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