Grauenhafte Vertuschungen

Unfassbar, spannend: „Der blinde Fleck - Oktoberfest, das Attentat“ wird im Landtag Politikern vorgestellt und zeigt: Demokratie und Rechtsstaat müssen immer wieder neu erkämpft werden
von  Adrian Prechtel

Da sitzt er, mit vor Emotion geröteten Wangen auf dem Podium. Es ist eine späte Genugtuung für einen, den der eigene Sender oft als Spinner abgetan hat, der immer gegen Wände anlief, aber nie aufgab. Und dann sagt Ulrich Chaussy: „München hat das bis dahin größte Attentat in der Bundesrepublik mit 13 Toten und über zweihundert zum Teil schwerst Verletzten verdrängt. Denn es war ein Anschlag auf den Moment, wo ich alles sausen lassen will, los lassen will – das Oktoberfest.“

BR-Redakteur Markus Aicher hat zusammen mit Landtagspräsidentin Barbara Stamm eine Reihe eingerichtet: Kino im Landtag. Und nach diesem Film waren vor allem die CSU-Abgeordneten unter Schock: „Der blinde Fleck – Oktoberfest, das Attentat“ zeigte eine unfassbare Verstrickung des bayerischen Verfassungsschutzes bei der Vertuschung der Hintergründe der Wiesn-Bombe am 26. September 1980. Es war Wahlkampf, Franz Josef Strauß schimpfte gegen „Linke und Chaoten“ und empfahl sich als starker Mann gegen Helmut Schmidt – da hätte nur ein Anschlag von Links ins Konzept gepasst. Also musste die Einzeltäter-Theorie gegen alle Indizien und Beweise brutal durchgehalten werden.

Es war mutig diesen Film, der auf dem Filmfest München seine öffentliche Premiere feiern wird, hier zu zeigen. Innenminister Joachim Herrmann, war sichtlich aufgewühlt: „Ja, man hat damals die Wehrsportgruppen kolossal falsch eingeschätzt“, gab er unumwunden zu, angesprochen, dass ja direkte Verbindungen auf die Wehrsportgruppe Hoffmann, die man ja als „Pfadfinder-Spiele mit verplombten Gewehren“ abgetan hat. „Ja, wie mit diesem Fall von den Behörden umgegangen wurde, ist unbefriedigend.“ Der damalige Innenminister hieß Gerold Tandler, der Mann im Verfassungsschutz Hans Langemann, dessen gezielter, Tatsachen verdrehender Umgang mit dem Attentat auch zu einem Untersuchungsausschuss führte.

1997 vernichtete das Bundeskriminalamt alle eingelagerten Beweismittel. „Und das, obwohl 13-facher Mord nicht verjährt“, wie Chaussy bitter anmerkt. Darunter: die Hand eines Toten, der nie in einem Bericht auftaucht. Viele brisante Fragen und ungeheuerliche Tatsachen sind bis heute ungeklärt. Dem Film „Der blinde Fleck“ ist größtmögliche Aufmerksamkeit zu wünschen, im Kino, im Fernsehen und auf dem Filmfest.

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