"Auf der Suche nach irgendwas": Franz Xaver Gernstl wagt den Rückblick

Es ist dies die Geschichte vom jungen Franz, der auf einer Tankstelle aufwächst, von einer Frau, die der Franz später dem Hans Peter ausspannte (und die am Ende beiden davonlief), von WGs in Rosenheim und München und von Jack Kerouacs Reise-Roman "On the Road", der in der WG herumlag und zu einer Reise nach Amerika führte. Dort hatte man einen Wunsch: all die Eindrücke filmisch festhalten zu können.
Vielleicht konnte es also gar nicht anders kommen, dass diese beiden Freunde aus dem Chiemgau sich 1983 einen Dritten, einen Niederbayern, schnappten, ihm, der vom Tonangeln keine Ahnung hatte, ein Mikrofon in die Hand drückten und fortan quer durchs Land reisten, um mit Menschen, die sie so treffen, zu reden und sie zu filmen.
Franz Xaver Gerstl nimmt mit auf eine sentimentale Reise in die Vergangenheit
Längst haben Franz Gernstl, Kameramann H.P. Fischer und Tonmann Stefan Ravasz die Menschen in Bayern, Deutschland und einem Teil der weiten Welt filmisch vermessen, doch der Stoff geht nicht aus. Immer wieder trifft Gernstl auf faszinierende Menschen, die ihm ihre Geschichten erzählen. In "Gernstls Reisen: Auf der Suche nach irgendwas" blicken sie nun zurück auf Begegnungen aus diesen 40 Jahren und schauen, was aus den Menschen von damals geworden ist. Und sie erzählen von ihren Anfängen und geben Einblicke in die Dynamik des Reise-Trios.
Es ist eine wunderbare sentimentale Reise in die Vergangenheit, ein Wiedersehen mit Menschen, die wir Zuschauer unter anderem schon aus dem ersten Kinofilm "Gernstls Reisen" (2006) kennen. Fast immer sind es Menschen, die es nicht leicht hatten im Leben – und die trotzdem weitermachen: Lebenskünstler, Eigenbrötler, Außenseiter, Stehaufmenschen.
In "Gernstls Reisen: Auf der Suche nach irgendwas" treffen wir Leute, die das Leuchten in den Augen nicht verloren haben
Wir treffen Menschen, die schreckliche Verluste verkraften müssen, über die Trauer aber das Leuchten in den Augen nicht verloren haben. Einen Menschen, der fast tot war und darüber etwas übers Leben gelernt hat. Oder wir treffen in Wien Fuzzy, der einst obdachlos war und nun strahlend sein Sieben-Quadratmeter-Zimmer herzeigt, in dem er sein ganzes Leben untergebracht hat. Und es gibt ein rührendes Wiedersehen nach 30 Jahren mit Govinda, der sich, damals gerade mal acht, dem Trio für ein paar Tage angeschlossen hatte.
Etwas aus der Reihe tanzt der Schweizer Privatier, den Gernstl an einer Werkstatt trifft. Er lässt gerade eine Klimaanlage in seinen Luxus-Oldtimer einbauen und lädt die Filmleute spontan zu sich nach Hause ein.
Berührend, heiter, klug: Das Gerstl-Prinzip funktioniert noch immer
Das Gernstl-Prinzip funktioniert noch immer bestens: Triff interessante Menschen und lass sie einfach erzählen. Sie seien damals, sagt Gernstl im Film, richtig süchtig geworden nach Geschichten.
Und wir geben uns dieser Sucht gerne ebenfalls hin. "Auf der Suche nach irgendwas" ist ein berührender Film, durchzogen von melancholischer Heiterkeit und Klugheit. Und nach dem Kinobesuch fragt man sich, ob man selbst nicht weniger klagen und öfter mal einfach zufrieden sein sollte. Eine tolle Lebensschule!
R: Franz und Jonas Gernstl (D, 92 Min.), Kinos: Astor, City, Solln, Rio