Genug ist nicht genug
Wir halb-pazifistische Neudeutsche wollen es nicht richtig wahr haben: Es gibt wieder deutsche Soldaten, die aus einem Krieg heimkehren in eine Zivilgesellschaft, die von ihren (Tötungs-)Erfahrungen und den Folgen nichts hören oder sehen will. Til Schweiger nimmt dieses Tabu zum Ausgangspunkt: Seine Hauptfigur Max (Schweiger selbst) ist ein Ex-Afghanistaneinsatz-Elitesoldat, der seitdem nur noch eines sein kann: Krieger. Er ist jetzt geheimer Mann fürs Grobe beim deutschen Zeugenschutzprogramm.
Aber als das deutsche Rechtssystem versagt, übt er offensiv auf alles verfolgende oder angreifende ballernd Defensiv-Selbstjustiz. Er schützt die einzige Zeugin (im Film seine Tochter Luna) ines Mordesdurch einen Waffenhändler (Heiner Lauterbach als Karl-Heinz Schreiber-Khashoggi-Typ), der, um davon zu kommen, jetzt seine politische Macht ins Spiel bringt.
"Léon der Profi", "Face off", "Der einzige Zeuge", "Hurt Locker" und jetzt die deutsche Version
Aus dieser Konstellation entwickelt Til Schweiger im Alleingang einen extremen Actionfilm. Die teilweise Zeitlupen-Gewaltballett-Action erinnert an asiatische Vorbilder wie John Woo („Face off“), die Spannungskonstruktion an Harrison-Fords „Der einzige Zeuge“. Aber Schweiger will mehr: Er baut eben noch Soldatentraumata ein, wie sie Kathryn Bigelow in ihrem Adrenalinkick-Bombenentschärfungs-Thriller „Hurt Locker“ geboten hat.
Wie fühlt es sich an, wenn man jemanden töten muss, wie, wenn man nur noch ans Überleben denkt und daher für Moral nicht mehr ansprechbar ist? Moritz Bleibtreu spielt den von der Gesellschaft liegengelassenen, kriegsversehrten Ex-Kamerad in der einsamen Brandenbuger Streusandbüchse.
Wie Jean Reno in „Léon der Profi“ wird auch Schweiger durch die Nähe zu einem Waisen-Teenager wieder Gefühle entwickeln. In der deutschen Version aber eröffnet sich versöhnlich nach einem final niedergeballerten Massen-Ansturm die Aussicht auf eine neue, funktionierende Patchwork-Familie. Schweiger kann nicht ganz mit allen internationalen Klassiker-Vorbildern mithalten, aber ihm gelingt ein vielseitig aufgeladener Actionfilm.
Ob das deutsche Publikum ihn in dieser Rolle und überhaupt dieses Genre „made in Germany“ akzeptiert, wird sich zeigen.
Kino: Cadillac, Cinemaxx, Leopold, Mathäser, Royal
R: Til Schweiger (D, 133 Min.)
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