Kritik

Ganz großer Winterzauber: "The Holdovers"

Der Film von Alexander Payne ist zum Heulen schön und verhandelt mit Melancholie und Humor große humane Themen
Adrian Prechtel |
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Ein verbotener Ausflug am Weihnachtstag nach Boston: Dominic Sessa als Schüler Angus and Paul Giamatti als der kauzige, konservative Intellektuell Paul Hunham in "The Holdovers".
Focus Features/ Seacia Pavao 2 Ein verbotener Ausflug am Weihnachtstag nach Boston: Dominic Sessa als Schüler Angus and Paul Giamatti als der kauzige, konservative Intellektuell Paul Hunham in "The Holdovers".
"The Holdovers"
Focus Features/ Seacia Pavao 2 "The Holdovers"

Was entscheidet über den Erfolg eines Films - außer dem Wetter? Der Starttermin, die Konkurrenz, die Konjunktur, natürlich das Thema und: Werbung.

Bei "The Holdovers" ist die Frage: Kann absurdes Marketing diesen wunderbaren Film ruinieren? Es beginnt beim Titel, weil außerhalb des englischsprachigen Raums niemand weiß, was "Holdover" bedeutet. Und wenn man sich den Trailer anschaut, befürchtet man eine albere Highschoolkomödie sehen zu müssen.

"Holdovers" sind die Schüler, die über Weihnachten im Internat bleiben müssen, weil sie keine Angehörigen haben oder diese sie nicht abholen können - oder wollen. Und weil der Lehrer für Alte Sprachen und Geschichte ohnehin ein kauziger Single ist, bestimmt der opportunistische Rektor diesen Paul Hunham mit einer kleinen Schaar und der Köchin im Internat zu überwintern.

Nach den ersten Reibereien in der leicht verschneiten Abgeschiedenheit wird doch noch einer der Snobschüler von Daddy abgeholt: per Helikopter. Und nimmt auch noch die anderen mit zum Skifahren - bis auf den arroganten, motzigen Rebellen Angus. Da waren's nur noch drei: Paul Giamatti als nerdiger, konservativer, geistreich-zynischer Pauker und Da'Vine Joy Randolph als Köchin (beide bereits mit dem Golden Globe dafür bedacht) sowie Dominic Sessa als Halbstarker. Regisseur Alexander Payne ("About Schmidt" mit Jack Nicholson, "Sideways" ebenfalls mit Paul Giamatti oder "The Descendants" mit George Clooney) erzählt nun von drei Winterwochen, an deren Ende alle ihrem Leben eine andere Richtung geben und webt dabei viel Humanität und Lebenswahrheiten ein.

"The Holdovers"
"The Holdovers" © Focus Features/ Seacia Pavao

Mit sich selbst im Reinen

Der Vietnamkrieg - und das Militär als eine der wenigen Aufstiegschancen für Schwarze - spielt aus dem Hintergrund tragisch hinein. Es geht auch um die Mechanismen einer weißen, männlichen Klassengesellschaft, Wohlstandsverwahrlosungen bei Jugendlichen und Selbstbetrug bei der Frage, ob man glücklich ist und um Einsamkeit.

Das alles aber wird bei Payne so elegant und sanft ausgespielt, dass die große philosophische Frage nach dem "richtigen Leben" mit einer melancholischen Leichtigkeit daherkommt. Und am Ende ist klar, ein Humanist kann nur sein, wer die Menschen liebt, und das wiederum gelingt nur, wenn man mit sich selbst im Reinen ist.

"The Holdovers" ist dabei ästhetisch nostalgisch den Filmen der Zeit, in dem er spielt angenähert: 1970, einem Jahr, das schon die Emanzipations- und Jugendbewegungen der 60er-Jahre hinter sich hat. Und so schimmert immer auch - passend zur weihnachtlich-winterlichen "Most wonderful Time of The Year" - auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft durch: der Figuren und der gesamten Gesellschaft, was auch akustisch getragen wird von Singersongwritern der Zeit wie Cat Stevens oder Bands wie The Chambers oder Shocking Blue.

Und so verlässt man nach diesem Winterzauber innerlich bewegt, nachdenklich und doch lächelnd das Kino.

Kino: Arri, Sendlinger Tor, Rex, sowie Leopold (auch OmU), Monopol, City (OmU) und Cinema, Museum (OV), R: Alexander Payne
(USA, 133 Min.)

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