"Für immer hier" von Walter Salles
Sommer, Sonne, Sonnenschein - der Strand in Rio ist Inbegriff von brasilianischem dolce Vita. Für die drei Töchter und den Sohn ist der Papa (Selton Mello) der Held, der auch mal einen ausgefallenen Zahn der Tochter im Sand vergräbt, mit ihr "auf Schatzsuche" geht und eine Märchengeschichte erfindet, als die Sechsjährige ihren Zahn "wiederfindet".
Es sind auch diese kleinen Geschichten, die die große, aber immer auch intime Geschichte von "Für immer hier" so liebevoll und echt machen. Die Familie Paiva hat am Strandboulevard ihr schönes Bürgerhaus. Es ist ein offenes Haus voller Freude und Freunde, Musik und freien Worten.
Letzteres ist nicht mehr selbstverständlich. Denn wir sind im Jahr 1970. Seit sechs Jahren ist Brasilien eine Militärdiktatur, "aber Brasilien hatte noch nicht ganz seine Unschuld verloren in diesen Jahren", erzählte Regisseur Walter Salles (68) bei der Premiere seines Filmes in Venedig vergangenen Jahres.
"Es gab noch viele, die versuchten, eine liberale Gesellschaft weiterzuleben." Salles kann sich an das Haus gut erinnern, weil er als Teenie mit einem Sohn von Rubens Paiva befreundet war.

Im Radio war damals selbst die Musik zensiert, Märsche und Schlager herrschten vor, aber bei den Paivas läuft der Plattenspieler mit Swing, Bossa Nova und lässigen Sixtie-Klängen. Die Geschichte des Architekten, der bis zum Putsch auch Politiker war, die seiner Familie und besonders seiner Frau (Fernanda Torres) hat er in "Für immer hier" verfilmt und gerade den Oscar als bester internationaler Film bekommen.
Man spürt die Militärdiktatur nicht sofort. Erst bei Polizeikontrollen, in die die älteste Tochter mit ihrem langhaarigen Freund nach einer Feier gerät, zeigt, wie schnell es ernst wird. Und am 20. Januar 1971 klingeln drei Männer in zivil. Rubens Paiva wird mitgenommen, zwei Männer bleiben für Tage als Aufpasser im Haus, das unter Quarantäne gestellt wird. Über Rubens wird die kommenden Monate nichts mehr in Erfahrung zu bringen sein.

Salles ("Central Station", "Die Reise des jungen Che") zeigt vor allem, wie das Verschwinden des Vaters in der Familie erst Angst und Verzweiflung verbreitet, wie die Mutter versucht, die Kinder vom Grauen abzuschirmen. Sie kämpft gegen die zersetzende Furcht und gleichzeitig um Informationen über ihren Mann - mit Anwälten, Beziehungen und auch der eingeschüchterten Presse.
Salles steigt dafür auch kurz in die Keller der Geheimpolizei hinab, ohne je Folter zu zeigen, weil er die Perspektive der Frau und der Kinder beibehält. "Für immer hier" ist berührend, sanft zu lang, aber immer tief menschlich ohne Sentimentalität - und dabei eben auch politisch.
In mehreren Liberalisierungsphasen und Amnestien durch den Druck von Demonstrationen, Streiks und Parteien endete die zweiundzwanzig-jährige Militärdiktatur 1985.
Kino: ABC sowie Arena, Maxim, Leopold (OmU)
R: Walter Salles (Bras, 135 Min.)
- Themen: