Fünf Seen Filmfestival: Kino und Krise
"Ich hatte keinen Masterplan und schon mal gar keine Gewinn-Verlustrechnung geplant. Ich bin einer, der sagt, das mache ich, und dann auch anpackt. Man muss manchmal etwas wagen." So definiert Matthias Helwig seine Mentalität als Festivalmacher - und die funktioniert.
Tolles Programm zum 15. Jubiläum des Fünf Seen Filmfestivals
Das Fünf Seen Filmfestival feiert vom 18. bis 31. August sein 15-jähriges Jubiläum. Nicht mit Bohei und großen Worten, sondern mit einem tollen Filmprogramm von 150 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen aus Mitteleuropa, darunter acht Welt- und 21 Deutschlandpremieren.
Zu genießen sind sie in Starnberg, Gauting, Weßling, auf Schloss Seefeld oder ganz romantisch an lauen Sommerabenden im Seebad Starnberg vor atemberaubender Kulisse.
Neue Reihe passend zur Klimakrise
Neben zehn Wettbewerben gibt es passend zur Klimakrise die neue Reihe "Kino und Klima" - mit ausgesuchten Spielfilmen, Kurzfilmen wie Godfrey Reggios Klassiker "Koyaanisqatsi" von 1982 oder Franz Böhms aktuellem Dokumentarfilm "Dear Future Children" über drei Frauen aus drei Ländern, die für eine bessere Zukunft kämpfen.
Am Klimatag, dem 22. August, laufen mehrere Filme zum Thema mit Vortrag und Diskussion im Kino Breitwand Gauting. Das Publikum wählt den mit 3.000 Euro dotierten "Kino & Klima-Award".
Eine bissige Tragikomödie eröffnet das Festival
Eröffnet wird das Festival mit der Deutschlandpremiere von "Risiken und Nebenwirkungen" des Österreichers Michael Kreihsl, eine während der Coronazeit gedrehte bissige Tragikomödie über zwei Ehen auf dem Prüfstand und Freundschaften in der Zerreißprobe.
In den 14 Festivaltagen reicht das Spektrum von breitenwirksamen Erfolgen der Sektion "Best of Festivals" bis zu gesellschaftlichen Fragestellungen über das Menschsein in der "Horizonte"-Reihe" mit Entdeckungen quer durch das Programm.
Diesen cineastischen Faustschlag sollte man nicht verpassen
Nicht verpassen sollte man Kaouther Ben Hanias "Der Mann, der seine Haut verkaufte", der mit dem diesjährigen "Internationalen Friedenspreis des Deutschen Films - Die Brücke" ausgezeichnet wurde: ein cineastischer Faustschlag und bildgewaltiges wie verstörendes Drama über einen jungen Syrer, der seinen Körper als Kunstwerk einsetzt - in der falschen Hoffnung auf Freiheit.
Birgit Minichmayr gewinnt den Hannelore-Elsner-Preis
Preisträgerin des Hannelore-Elsner-Preises ist Birgit Minichmayr, die die neue Komödie "Wanda, mein Wunder" der Schweizerin Bettina Oberli im Anschluss an die Preisverleihung präsentiert.
Ehrengäste sind Senta Berger und Michael Bully Herbig, die in der Akademie für Politische Bildung in Tutzing über das Thema "Postpandemische Perspektiven: Wohin mit Film und Kultur?" diskutieren.
Das diesjährige Motto: "Perspektiven"
Das entspricht dem diesjährigen Motto: Nach "Zeit" (2018) und "Raum" (2019), "Bewegung und Stillstand" (2020) heißt es in diesem Jahr "Perspektiven".
"Gerade nach einer Zeit, in der viele Menschen stärker denn je auf der eigenen Sichtweise beharrt haben, brauchen wir andere Blickwinkel auch zwischen Menschen, andere Wahrnehmungen, Diskussionen darüber und die Bilder dazu - eben Perspektiven", so Helwig.
Kultur bedeutet Austausch
Kultur bedeute Austausch und verhindere damit die drohende Spaltung der Gesellschaft. Passend dazu lud er als weiteren Ehrengast Benedict Neuenfels mit einer kleinen Werkschau ein, unter anderem mit "Der Felsen", "Styx" und "Ich bin dein Mensch": Neuenfels wird von seinen Perspektiven als Kameramann erzählen.
Sein berühmter Kollege Michael Ballhaus war übrigens der "erste große Gast des Festivals und sorgte für einen Erfolgsschub", erzählt Helwig wehmütig.
Diese Dokus empfiehlt der Festivalmacher
Mit Tipps hält sich er ich zurück, aber dann legt er den Zuschauern doch zwei starke Dokumentarfilme ans Herz: "Kühe auf dem Dach", ein Blick in die Schweizer Berge und den Traum vom einfachen Leben, und, ebenfalls aus der Schweiz, "W. Was von der Lüge bleibt" über die Glaubwürdigkeit von Informationen am Beispiel der gefakten Lebenserinnerungen eines Mannes, der eine Kindheit im KZ erfand.
Filme für Iran- und Fußballfans
Bei den Spielfilmen zeigt sich Helwig stolz, mit dem iranischen Film "The Badger" ein "Meisterwerk" zwischen Krimi und Gesellschaftsdrama ins Fünfseenland gebracht zu haben, es ist einer von vier iranischen Beiträgen.
Als Schmankerl nicht nur für Fußballfans empfiehlt er "Tigers". Bei dem Film nach einer wahren Geschichte werden sich einige die Augen reiben, wie einem Jung-Profi im harten Fußballgeschäft dazwischengegrätscht wird. Wohlgemerkt nicht auf dem Platz, sondern von Strippenziehern und Neidern im Hintergrund.
Open Air Kino mit 500 Leuten
Der Festivalchef hofft auf gutes Wetter, ein neugieriges Publikum und entspannte Stimmung - auch wenn aufgrund der Corona-Bedingungen die Auslastung der Kinos nur zwischen 30 und 40 Prozent beträgt. Open Air darf Helwig 500 Zuschauer empfangen.
Für den Herbst spürt er eine "diffuse Stimmung": Acht Monate musste er seine Kinos schließen, eine "unverhältnismäßige Maßnahme", wie er findet, und er glaubt nicht, "dass die Politik etwas gelernt" habe. Ein neuer Kultur-Lockdown bei der vierten Welle wäre für ihn katastrophal. Die Angst vor "Wiederholungstätern" in der Politik bleibt.
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