Filmkritik Spider-Man: Tom Holland als neuer Marvel-Held
Der Schweiß rinnt, die Anspannung steigt. Auf den Bauunternehmer Toomes wartet eine Herkulesaufgabe: Mit schwerem Gerät will er (Michael Keaton) die Zerstörungen beseitigen, die beim letzten Alien-Angriff halb New York in Schutt und Asche legten. Der harte Knochen kann mit dem gesellschaftlichen Hype um die Rettungs-Helden Iron Man, Spider-Man & Co. wenig anfangen. Er sieht nur die Verwüstungen, die bei den ständigen Schlachten um die Rettung der Menschheit quasi nebenbei entstehen. Doch so ein pragmatisch zupackender Kerl wird nun plötzlich nicht mehr gebraucht.
Der Einstieg zum nunmehr sechsten Spider-Man-Film innerhalb von nur 15 Jahren hat es in sich, zeigt die glitzernden Marvel-Stars mal in einem anderen Licht. Psychologisch verständlich wird so auch, warum sich ein einfacher Arbeiter, der innerhalb von wenigen Minuten rücksichtslos vom Iron-Man-Konzern Stark Industries ausgetauscht wird, dem Heldenkult abschwört und sich mit geklautem Alien-Material ein eigenes illegales Waffenhändler-Dasein aufbaut. Ein Wechsel von Gut zu Böse. Schließlich will auch Toomes seiner Familie etwas bieten, nicht auf der Straße sitzen.
Von diesen dunklen Existenzängsten ist unser Positiv-Held "Spider-Man" weit entfernt.
Spider-Man ist viel mehr Spider-Boy: Der Superheld ist erst 15 Jahre alt
Der charismatische Brite Tom Holland legt seinen Spinnenhelden ganz anders an als seine mit sich hadernden Vorgänger Tobey Maguire oder Andrew Garfield. Erst 15 Jahre alt ist dieser Spider-Boy, ein aufgeweckter Teenie unserer YouTube-Zeit. Technikbesessen, blitzgescheit mag er sein, aber bei der Highschool-Schönheit Liz (Laura Harrier) fehlt Peter Parker, der von seinem Superhelden-Doppelleben niemandem etwas erzählen darf, dann doch das passende (verbale) Netz, damit sie an ihm haften bleibt. Halt soll der pubertierende Waisenknabe in seinem unsteten Leben zwischen Schulalltag und nächtlichen Spider-Man-Ausflügen von den Avengers bekommen, Iron Man (Robert Downey Jr.) dabei den Aufpasser spielen. Der ist aber mehr mit der eigenen Marke beschäftigt und stellt lieber seinen Assistenten Happy (Jon Favreau) als belehrenden Ersatz-Pädagogen ein. Dass sich Peter Parker von dem nicht viel sagen lässt ist klar, und so macht er sich bald mit waghalsigen Ego-Nummern wie dem Zusammenspinnen einer auseinanderbrechenden Fähre wenig Freunde.
Die Individualität, das Besondere der populären Figur geht verloren
Jungfilmer Jon Watts setzt diese Action-Sequenzen gekonnt in Szene, doch fehlt es ihnen zumeist an Originalität und eigener Handschrift. Überhaupt wirkt "Spider-Man: Homecoming" zeitweise wie der plumpe Versuch, den beliebten Spinnenhelden in das Marvel-Universum als ein Held unter vielen zu integrieren. Bei diesem wirtschaftlich sicherlich geschickten Branding geht die Individualität, das Besondere der populären Figur verloren. Die Vermarktungsmaschine und das Schielen auf eine jüngere Zielgruppe wird besonders deutlich, wenn Spidey im Einsatz mit einem Spezialanzug von Iron Man agiert.
Die vielen Gimmicks, die der 15-Jährige dabei erst noch für sich entdeckt, machen ihn letztlich zu einen ziemlich unfähigen Nachwuchs-"Avenger", der seine Helden-Hausaufgaben erst noch erledigen muss. Stärker, weil überraschender wird der 175 Millionen Dollar teure Blockbuster im Schlussdrittel, wenn ein unsicherer Peter Parker auf den abgebrühten Toomes alias "The Vulture" trifft. Wie der einstige Batman Michael Keaton hier auch seinen Birdman-Part herrlich genüsslich variiert und dem Teenie-Helden wie einem aufmüpfigen Schüler die Leviten liest, das hat Witz und Spannung.
Ob unser Spider-Parker aus diesem für ihn nicht immer vorteilhaften Verbal-Scharmützel auch etwas für die Zukunft lernt, dürften die nächsten Abenteuer zeigen.
Kino: Cadillac und Gloria, Leopold, Cinemaxx, Royal (auch 3D), sowie Cinema und Museum(OV und 3D), Mathäser (in allen Varianten) Regie: Jon Watts (USA, 133 Min.)
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