Filmfest in Cannes: Eine Niederlage für die Gießkanne

Das Filmfestival von Cannes geht ohne einen klaren Favoriten für die Goldene Palme seinem Finale entgegen.
Adrian Prechtel
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Sharon Stone auf dem Weg zur Premiere des Films "Forever Young" in Cannes.
Sharon Stone auf dem Weg zur Premiere des Films "Forever Young" in Cannes. © picture alliance/dpa/AP

Soll keiner sagen, Stars seien immer ein Schmuck: Bei einem Wohltätigkeitsdinner für die Ukraine, bei dem das Gedeck im Marriott Hotel zwischen 500 und 1.500 Euro kostete, ist Sharon Stone nach kürzester Zeit wieder gegangen, ohne sich mit irgendjemanden unterhalten zu haben. Ihre Rede hatte sie nach wenigen Sätzen beendet, weil es ihr zu laut war. Das alles wäre die Freiheit eines jeden unzufrieden Gastes. Aber Sharon Stone hat - nach Angaben der Veranstalter - 25.000 Dollar für ihre Präsenz bekommen, noch ohne Hotel und alle Zusatzkosten.

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An Cap Antibes, der teuersten Halbinsel bei Cannes mit dem Hotel Eden Roc, soll es angenehmer zugegangen sein - bei der noch von Liz Taylor initiierten jährlichen Gala, die die Aidsforschung fördert und seit dem Tod der Schauspielerin ebenfalls von Sharon Stone als Auktionatorin geleitet wird. Baz Luhrmann erlöste für eine "Elvis"-Gitarre aus seinem Filmfundus knapp 200.000 Dollar. Insgesamt kamen an diesem Abend mehrere Millionen Dollar zusammen - und das hat womöglich doch etwas mit Sharon Stone versöhnt.

"Close" gilt als Anwärter auf eine Palme

Der diesjährige Wettbewerb sollte endlich wieder die Vitalität des Kinos und die Kraft von Cannes beweisen. Das ist in einem größeren Umfang auch gelungen. Im Wettbewerb war kein Ausfall, kein spektakulärer Ausreißer nach oben, auch wenn die letzten Filme deutlich zeigten, dass intime, kleine Geschichte, wenn sie packend erzählt werden, besonders berühren - wie der Film der Dardennes-Brüder über eine junge afrikanische Immigrantin.

Als palmenwürdig gilt auch der junge Regisseurs Lukas Dhont, der in "Close" eine kindliche Jungenfreundschaft zeigt, bis in der siebten Klasse plötzlich ein Mädchen die beiden 12-Jährigen fragt, ob sie schwul und deshalb zusammen seien? Daraufhin distanziert sich der eine, und der andere wird Selbstmord begehen.

Kinderfreundschaft: Szene aus dem Film "Close" von Lukas Dhont, der im Wettbewerb auf dem 75. Filmfestival in Cannes gezeigt wird.
Kinderfreundschaft: Szene aus dem Film "Close" von Lukas Dhont, der im Wettbewerb auf dem 75. Filmfestival in Cannes gezeigt wird. © picture alliance/dpa/Filmfest Cannes/dpa

Hirokazu Kore-Eda, der japanische Meister der Patchwork-Familienbande, hatte mit "Shoplifters" 2018 die Golden Palme und anschließend einen Oscar gewonnen. Wieder erzählt er ergreifend und moralisch angenehm verwirrend von Familienbanden, die nicht so sehr genetisch als viel mehr gewählt sind: Eine junge Prostituierte ermordet einen Freier und steckt das von ihm gezeugte Baby in eine Babyklappe. Dort wird es aber von einem sympathischen Gaunerduo entführt, die das Baby nicht in ein Waisenhaus geben, sondern es illegal an möglichst liebende Eltern verkaufen wollen, was den Titel "Broker" rechtfertigen soll.

Als die junge Mutter wieder auftaucht und sich die Polizei an die Fersen der neuen Familie heftet, kommt es zu berührenden tragikomischen Verwicklungen, die die Gauner-Mutter-Kind-Gruppe immer enger zusammenschweißt. Trotz frenetischem Beifall in der Pressevorführung wird in so kurzem Abstand die Goldene Palme nicht noch einmal an den Japaner gehen.

Franzosen dürfen an der Cote d'Azur  nicht leer ausgehen 

Der französische Jurypräsident Vincent Lindon hatte in der Eröffnungsgala vor 12 Tagen die Feierstimmung mit einer Rede verfinstert: Kino müsse - nicht nur in Zeiten des Krieges, aber da besonders - Haltung und Zivilcourage zeigen. Aber was heißt das für die Palmen-Show an diesem Samstag? Explizit Haltung zeigte vor allem der Film "Holy Spider" von Ali Abbasi, in dem eine couragierte Journalistin einen religiös fanatischen Prostituiertenmörder im Iran jagt.

Weil aber an der Cote d'Azur die Franzosen nicht leer ausgehen dürfen, bleibt nur der tragisch-heiter-libertinäre Film von Valeria Bruni Tedeschi über eine Jugend Mitte der 80er an der Theaterschule der französischen Legende Patrice Chéreau (Louis Garrel). Aber das wäre zu leicht in einem europäischen Kriegsjahr.

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Und wie sieht die deutsche Bilanz nach diesen zwölf Tagen Kino und Glamour aus? Viel hiesiges Geld von Koproduzenten steckt in vielen der Cannes-Wettbewerbsfilme, wie man vielen Filmvor- und Abspännen zu entnehmen war? Aber warum kommt in Deutschland kein Film heraus, der als Cannes-würdig erachtet wird? Eine Filmförderungs- und Produktionsdebatte wäre seit Jahren nötig. Aber lieber wurstelt jedes Bundesland und der Bund mit dem Gießkannenprinzip weiter.

So blieb als einziger Stolz, dass Deutschland die offiziellen schwarzen SUVs stellen durfte, die die Stars von ihren Hotels an der Croisette zum Roten Teppich und wieder zurück chauffieren: Es sind seit diesem Jahr Dutzende E-BMWs mit Münchner Kennzeichen.

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