Filmfest-Chefin Iljine: Zeigen, wie vital das Kino ist

Beim Filmfest München werden in diesem Jahr 120 Filme aus 52 Ländern gezeigt. Darunter befinden sich 35 Weltpremieren. Die 39. Auflage des Festivals dauert von diesem Donnerstag bis Samstag, 2. Juli.
Filmfest München 2022: Ein Fokus liegt auf ukrainischen und russischen Produktionen
Eröffnet wird das Fest mit "Corsage", der bereits in Cannes gezeigt worden war. Vicky Krieps spielt im Film von Marie Kreutzer darin Kaiserin Sisi, die aus den höfischen Zwängen ausbrechen will. Ein Fokus liegt zudem auf Produktionen ukrainischer und russischer Regisseure, die sich gegen "autoritäre Systeme" aussprechen. Dazu gehört der Dokumentarfilm "Mariupolis 2" von Mantas Kvedaravicius. Der Litauer hatte in der belagerten Stadt gefilmt und wurde beim Versuch, die Ukraine zu verlassen, von russischen Truppen getötet. Seine Verlobte schmuggelte das Material aus dem Land. Aber bei allem Ernst soll das Filmfest auch ein heiteres Sommerfestival sein.
AZ: Frau Iljine, als Filmfestchefin müssen Sie Ihr Programm schon aus professionellen Gründen loben. Dennoch: Was zeichnet 2022 aus?
DIANA ILJINE: Es hat die richtige Mischung aus Ernst und Unterhaltung. Das liegt daran, dass wir als größtes deutsches Filmfest nach der Berlinale mittlerweile auch fast alle Filme bekommen, die wir zeigen wollen, weil Verleihern klar ist: Hier gibt es eine große Bühne. Aber es gibt bei uns keine Einreichungen, sondern wir suchen aus. Und wir haben ein sehr gutes Kuratorenteam, hinter dem ich zu 100 Prozent stehe und das immer die besten Filme nach München holt.
120 Filme sind im Programm, das ist weniger als vor Corona.
Das ist eine gute Zahl, um alle Filme optimal präsentieren zu können, ihnen genügend Aufmerksamkeit zu schenken und sich auch als Zuschauer oder Zuschauerin nicht erschlagen zu fühlen.
Filmfestchefin Diana Iljinie: "Das Ins-Kino-Gehen muss einfach ein schönes Event sein"
Liegt das nicht auch an knapperen Ressourcen?
Ja auch, Stadt und Staat sind ja unsere großen paritätischen Gesellschafter. Und sie haben nach Corona ihre Anteile reduziert. Aber ich bin guten Mutes, dass es mir gelingt, das wieder zu drehen. Man muss nur nach Frankreich schauen, das Filmland schlechthin: Dort hat die Regierung den Kulturetat während Corona erst einmal deutlich erhöht.
Wird es schwieriger, die Menschen nach zwei Corona-Jahrgängen, wieder aufs Filmfest und in die Kinos zu locken?
Bei den meisten bin ich mir sicher, dass sie sich richtig drauf freuen, dass Kino und das Filmfest wieder durchstarten, weil sie uns jahrelang treu gewesen sind. Und die, die sich entwöhnt haben, wollen wir durch unsere einmaligen Angebote wieder motivieren. Das Ins-Kino-Gehen muss einfach ein schönes Event sein. Aber ich spüre insgesamt und überall wieder eine große Lust am gemeinsamen Kulturerleben, was wir auch an den Gästen aus aller Welt merken, die kommen, weil sie sich aufs Publikum freuen. Das Einzigartige am Filmfest ist ja, dass man Menschen vor und hinter der Kamera begegnet und mit allen über ihre Filme sprechen kann - in dieser besonderen sommerlichen Festivalatmosphäre. Wir sind ein Filmfest für alle! Quasi all unsere Veranstaltungen sind für die breite Öffentlichkeit zugänglich - und unsere Gesprächsformate obendrein kostenlos.
20 Filme haben Sie ja aus Cannes mitgebracht.
Was sportlich war, weil das Festival in Cannes ja später startete und somit noch näher an uns dran lag. Aber das Festival dort hat atmosphärisch auch spüren lassen, wie vital Kino wieder ist. Unser Eröffnungsfilm "Corsage" über die Kaiserin Elisabeth hat Jubelstürme ausgelöst.
Was erwartet man nach zwei belastenden Coronajahren?
Die Weltlage ist 2022 ernst und viele Filme spiegeln das natürlich auch, aber ein Film darf sein Publikum ja durchaus auch fordern. Andererseits haben wir aber darauf geachtet, dass es auch Momente der Leichtigkeit oder Unterhaltung gibt - von Doris Dörries Komödie "Freibad" über ein Frauenbad bis zu den "Minions" mit 70er-Jahre-Vibes oder dem tunesischen Film "Under the Fig Trees" - bis zum Dokumentarfilm "Ennio Morricone" von Guiseppe Tornatore, ein Film wie eine Symphonie!
Und haben Sie Lieblingsfilme?
Ich liebe alle unsere Filme - jeder der 120 Filme ist einzigartig. Aber wenn ich ein paar nennen soll, dann wäre da zum Beispiel "Illusions perdues" von Xavier Giannoli nach einem Roman von Balzac: Das ist opulentes, gut gemachtes Erzählkino - es geht um die Korrumpierbarkeit der Medien im 19. Jahrhundert, was eben gleichzeitig hoch aktuell ist. Oder "Der perfekte Chef" mit Javier Bardem als wunderbar bissige Satire. Oder der Film "Sirens" über die erste rein weibliche Metalband aus dem Nahen Osten. Oder "L' Envol", eine Liebesgeschichte und Fabel voller Musik und Magie. Dieser Film läuft übrigens mit neun anderen in der neuen Reihe "Cinerebels", für die unser Sponsor Audi, der die Fahrzeugflotte stellt, einen Preis in Höhe von 10.000 Euro gestiftet hat.
Filmfest München: Informationen, Programm und Karten unter filmfest-muenchen.de, Karten zu 10,90 Euro (7,90 Euro ermäßigt, 10 Tickets nur 99 Euro), Festivalzentrum und Kartenverkauf: Amerikahaus (am Karolinenplatz)