Film "She Said" über #MeToo: Entlarvte Macht

Vor fünf Jahren sorgten die hartnäckigen Investigativ-Reporterinnen Jodi Kantor und Megan Twohey (toll besetzt: Zoe Kazan, Carey Mulligan) mit der Aufdeckung der Machenschaften von Harvey Weinstein für ein Beben in Hollywood.
Ausgehend von einer kleinen Meldung über die lang zurückliegende sexuelle Belästigung der Schauspielerin Rose McGowan stoßen die beiden auf ein System von Druck und Drohung, dem die weiblichen Angestellten ausgeliefert sind und das der Erfolgsproduzent gnadenlos ausnutzt. Da werden zumeist junge und unsichere Frauen zum gemeinsamen Duschen oder Massagen genötigt, ins Bett gezerrt und vergewaltigt, Schauspielerinnen mit falschen Versprechungen und Einschüchterungen gefügig gemacht.
Alles sollte möglichst realitätsnah dargestellt werden
Basierend auf ihrem Buch "#MeToo: Von der ersten Enthüllung zur globalen Bewegung" der beiden Pulitzerpreisträgerinnen glaubt man sich in einem Thriller und mag nicht glauben, was hinter den Kulissen von Geld und Glamour passierte.
Maria Schrader, die mit ihrer Serie "Unorthodox" das Interesse von US-Produzenten weckte, las "atemlos" das ihr zugeschickte Drehbuch von Rebecca Lenkiewicz, für das auch das furchtlose Journalistinnenduo konsultiert wurde, damit von Sprachdetails bis zu den Treffen mit den Beteiligten alles stimmte. Und natürlich hatten die Anwälte ein Auge auf die Dialoge.
Mit Hilfe von Erpressungsgeldern sollten Opfer still halten
Die Gespräche mit traumatisierten Frauen, die sich noch heute schämen, tun weh. Sie mussten Schweigegeldverträge unterschreiben. Damit wollte sich Weinstein mit Wissen seiner Entourage von jeder Verantwortung freikaufen. Erschreckend, wie viele im Filmbusiness von der "Besetzungscouch" wussten, aber nicht eingriffen.
Der Film gehört den Opfern, nicht dem Täter. So ist "She Said" ein Film über Weinstein als symbolische Figur, dem kein Forum geboten wird, man hört seine Stimme am Telefon, zu sehen ist er nur einmal von hinten.
Die Betroffenen zum Reden zu bringen, ist Sisyphos-Arbeit. Sie wollen sich nicht "on the record" äußern, nicht ihren Namen öffentlich preisgeben. Der Haken: Ohne belastbares Material gibt es keinen Artikel – und so keine Aufklärung. Viele der Frauen verloren durch Schmutzkampagnen ihren Job in der Filmbranche, nur Ashley Judd spielt in "She Said" sich selbst. Peter Jackson hatte sie wegen Weinsteins "Warnungen" nicht für "Herr der Ringe" besetzt. Erst nach und nach trauten sich einige Frauen, die Wahrheit publik zu machen. Sie erhalten endlich ihre Stimme zurück und vielleicht auch ein Stückchen Würde, das ihnen genommen wurde.
Sachlich, aber trotzdem emotional
Das Drama entlarvt die Abhängigkeitsverhältnisse und das hierarchische System der Macht, verzichtet dabei klug auf drastische Darstellung der Übergriffe, auf Sensationslust oder Voyeurismus. Die Erzählung bleibt sachlich und schnörkellos. Die Rückblenden konzentrieren sich auf emotionale Momente, auf die Demoralisierung von Menschen, deren Leben in Trümmern liegt und oft auch die Karriere.
Gleichzeitig wirft der Film einen sehr genauen Blick in die Redaktion, das Taktieren, das juristische Tauziehen, das Beharren auf Aufklärung trotz aller Schwierigkeiten (einfach stark: "Chefin" Patricia Clarkson). Gedreht wurde in Räumlichkeiten der "New York Times", die während der Pandemie leer standen. Lange Telefonate und Gespräche, Redaktionskonferenzen und endlose Flure, ausgedehnte Autofahrten – auch wenn keine Langeweile aufkommt, eine Raffung bei 130 Minuten Länge hätte nicht geschadet.
Es wäre ungerecht, "She said" mit "Die Unbestechlichen" über den Watergate-Skandal aus dem Jahre 1976 zu vergleichen, auch wenn die Produzentin den Film pitchte als "Die Unbestechlichen", aber weiblich. Im Gegensatz zu Dustin Hoffman und Robert Redford als "Washington Post"-Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward geht Schrader in das persönliche Umfeld ihrer Heldinnen und verschweigt weder die Doppelbelastungen als berufstätige Frau noch die Wochenbett-Depression von Twohey, die während der Recherche Mutter wurde.
Viel Neues erfährt man nicht, die streng fokussierte Form und der persönliche Bezug machen den Frauen verachtenden Horror aber intensiver. Der 2020 zu 23 Jahren Haft verurteilte Weinstein, steht inzwischen in Los Angeles erneut wegen sexueller Übergriffe vor Gericht. Dieser Fall ist wohl nur die Spitze des Eisbergs.
Kino: Astor im Arri, Solln, Mathäser sowie Isabella, Monopol (OmU) Leopold, City (auch OmU) und Cinema, Museum (OV), R: Maria Schrader (USA, 130 Min.)