Film-Flops in Deutschland: Ein verlorenes Jahr
Der deutsche Film hat 2012 versagt. Millionenschwere Großproduktionen floppten, US-Filme triumphierten, das Fernsehen machte vor, wie’s geht. Aber es gab auch Lichtblicke.
Bisher sind 104 Millionen Besucher in die deutschen Kinos gegangen – soviel wie 2011. Und 2012 ist noch nicht zu Ende. „Der Hobbit“ startet noch! Die Einnahmen sind 2012 mit über 800 Millionen Euro auch schon höher als vergangenes Jahr. Aber einer ging in dieser gesamten glücklichen Zeit leer aus: der deutsche Film.
Die Flops:
Das Jahr begann mit einer Riesen-Erwartung und Werbe- und Medien-Rummel wie selten: Aber Helmut Dietls Neo-Schimmerlos „Zettl“ (Budget über 10 Millionen Euro) mit Bully Herbig zog nur 154000 Zuschauer an, statt erwarteter 3 Millionen. Die Ferdinand-von-Schirach-Verfilmung „Glück“ wurde Doris Dörries schwächstbesuchter Film (50000). Normalerweise funktionieren Bestsellerverfilmungen, da Leser oft sehen wollen, was aus ihrer Lektüre geworden ist. Und faule Leser sehen sich Literatur gerne im Kino an – auch, wenn sie sich vielleicht gar nicht dafür eignet. Detlev Bucks Kehlmann-Verfilmung „Die Vermessung der Welt“, die aufwändig in 3D verfilmt wurde, wollte vermessene drei Millionen Zuschauer. Mehr als 600000 werden es wohl nicht werden. Wenig mit „Ruhm“ bekleckert, hat sich auch die zweite Kehlmann-Verfilmung. Ganze 17000 Zuschauer wollten das mit Stars wie Heino Ferch und Senta Berger besetzte Drama (an den Kinokassen) sehen. Gefördert wurde es aber mit über 1,4 Millionen Euro.
Anderen Adaptionen ging es nicht viel besser. Die Juli-Zeh-Verfilmung „Schilf“ (800000 Euro Förderung) kam auf lächerliche 10000 Besucher. Gerade gestartet ist die verunglückte, lose auf Paul Watzlawick beruhende Komödie „Anleitung zum Unglücklichsein“ (über 2,2 Millionen Euro Förderung). Ein Start außerhalb der Top 10 mit knapp 25000 macht keinen Produzenten und Geldgeber glücklich. Enttäuschungen machten in diesem Jahr aber leider auch vor guten Filmen nicht halt. Die gelungene Komödie „Heiter bis Wolkig“ mit einer starken Jessica Schwarz als Krebskranker blieb bei 300000 Zuschauern. Der packende Kinderfilm „Haus der Krokodile“ sogar nur bei 140000. Und was ist mit dem Dimensionen sprengenden „Cloud Atlas“? Allein 9 Millionen nur an Filmfördergeldern hat Tykwer-Wachowskis dreistündiges Epos verschlungen. Es ist eine auf englisch gedrehte deutsche Produktion. Der verschachtelte Film hat in den USA erst 26 Millionen Dollar eingespielt und wird bei uns zwar die Millionengrenze der Zuschauer um Weihnachten knacken. Aber das ist zu kläglich, um das historisch größte deutsche Filmbudget von 100 Millionen Dollar wieder einzuspielen.
Das Ende des bayerischen Wunders:
Vor fünf Jahren schien nach 50 Jahren Dornröschenschlaf ein altes Genre eine Renaissance zu erleben: Der neue Heimatfilm war mit Rosenmüllers „Wer früher stirbt, ist länger tot“ plötzlich ganz groß da. Dass diese Filme auch nur überwiegend regional angeschaut wurden, verhinderte die gute Zuschauerbilanz nicht. Jetzt scheint die Glücksserie ausgelaugt. „Wer’s glaubt wird selig“ ist mit 380000 Zuschauern der erfolgreichste, aber ob beim bayerischen Heimatfilm in Zukunft gilt „Was weg ist, ist weg“ (105000 Zuschauer)? Wer sich auf die Suche des erdverbundenen Films machen will: Go West! Die Schwaben haben – trotz angeblicher Sparsamkeit – in ihrer Region für ein Kassenwunder gesorgt: „Die Kirche bleibt im Dorf“ (440000 Zuschauer). Aber den wirklich großen Zuschauererfolg musste man auch 2012 wieder noch weiter westlich suchen.
Die Konkurrenz aus dem Ausland:
So schwach die Kinozahlen in Deutschland auch waren, so stark präsentierte sich der US-Markt. Dominierend die Animationsfilme „Ice Age 4“ (6,6 Millionen Zuschauer), „Madagascar 3“, (über 3,8 Millionen) gelungen die Comicverfilmungen „The Dark Knight Rises“ (3,2 Millionen), „The Avengers“ (2,2 Millionen). Die größte Überraschung aus Hollywood war aber die bärige Komödie „Ted“ (3,3 Millionen). Während gerade die letzte „Twilight“-Folge die Mädchen in Atem hält, kamen die Mega-Hits aber aus dem „alten Europa“. „Ziemlich beste Freunde“ begeistert bis heute unglaubliche 8,8 Millionen Zuschauer, der neue Bond „Skyfall“ hat bisher schon 6,5 Millionen 007-Fans. TV MACHT’S VOR Die große Konkurrenz zum Kino ist in den USA längst das Fernsehen. Eine Feststellung, die sich mittlerweile auf den deutschen Markt übertragen lässt. Während die Serien hierzulande noch schwächeln, glänzen die TV-Filme. So gesehen beim Fernsehpreis. Den Hauptpreis erhielt Volker Schlöndorff für sein Antikriegsdrama „Das Meer am Morgen“, mit 73 Jahren sein erster TV-Film. Aber auch Krimis wie Dominik Grafs „Das unsichtbare Mädchen“ oder subtile Charakterstudien wie „Der letzte schöne Tag" glänzen durch eine ausgeklügelte Erzählung, die man im Kino oft vermisst. Und selbst für Provokationen ist mittlerweile das Fernsehen zuständig: Siehe „Rommel“.
Lichtblicke:
Gab es auch Lichtblicke? Marc Rothemunds Komödie „Mann tut was mann kann“ überraschte mit über 700000 Besuchern, wie Til Schweiger mit „Schutzengel“. Kein Spitzenergebnis, aber Schweiger hatte im Actionbereich nie den gleichen Erfolg wie mit seinen Komödien. Und aus dem Nichts schoss im April die Nazis-auf-dem-Mond-Satire „Iron Sky“ (460000 Zuschauer) an die Spitze der Charts. Ein Film, der durch Crowd-Funding finanziert wurde. Erfreulich auch das Abschneiden von Arthaus-Filmen wie „Die Wand“ (270000), „Oh Boy“ und „Barbara“. Man sollte den Geschmackssinn der Kinogänger nicht unterschätzen.
Der einzige Megahit
Von der TV-Serie zum Kinoerfolg mit Macho- und Türken-Klischees und klassischen Rollenbildern: Bora Dagtekins „Türkisch für Anfänger“ mit Elyas M’Barek (Mitte, Foto: Constantin) als Sexidol gewann 2,3 Millionen Zuschauer – die meisten für einen deutschen Film 2012.
Filmperlen
„Oh Boy“, eine schwarz-weiße Taugenichtsgeschichte mit Tom Schilling (Foto: X-Verleih), ist eine der Entdeckungen des Jahres. Die DDR-Geschichte „Barbara“ von Christian Petzold mit Nina Hoss (Foto: Piffl) wurde gefeiert und auch von 350000 Zuschauern geliebt.
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