"Familie zu vermieten“: Zu Gast als Vater
Die Kluft zwischen Arm und Reich wird auch in Frankreich immer größer, wo das gesellschaftliche Auseinanderdriften an den nationalen Grundwerten von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit kräftig zu zehren begonnen hat.
Im französischen Kino ist das schon länger Stoff für Komödien: Cédric Klapisch ließ in „Mein Stück vom Kuchen“ eine entlassene Fabrikarbeiterin aus dem Norden und einen Pariser Börsenhai aufeinander los. Im Publikums-Hit „Ziemlich beste Freunde“ wurde ein afrikanischer arbeitsloser Emigrant aus der Banlieue als Pfleger für einen schwerreichen Adeligen eingestellt.
In Anne Fontaines „Mein größter Alptraum“ ließ sich Isabelle Huppert als zickige Großbürgerin auf eine klassenübergreifende Affäre mit Benoît Poelvoorde im Klempner-Overall ein. Letzterer wechselt nun in Jean-Pierre Améris' „Familie zu vermieten“ auf die andere, reiche Seite.
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Familienvater auf Probe
Denn Poelvoorde spielt hier den Mittvierziger Paul-André, der als Software-Mogul ein Vermögen gemacht hat und allein mit dem Butler in seinem riesigen Haus wohnt. Das Leben ist an ihm vollkommen vorbei gegangen.
Zu einer eigenen Familie hat er es nie gebracht. Als er im Fernsehen die alleinerziehende Mutter Violette (Virginie Efira) sieht, der wegen Ladendiebstahls der Entzug des Sorgerechts für ihre beiden Kinder droht, macht Paul-André ihr ein kurioses Angebot: Er übernimmt ihre Schulden und den Unterhalt für ein Jahr und darf sich dafür als Familienvater ausprobieren. Violette schlägt ein, und der weltfremde Computer-Nerd zieht wenig später in ihr chaotisches Heim.
Lautstarke Erziehungsprozesse, Schmutzwäscheberge und die laxen Tischmanieren des Prekariats sind für ihn eine große Herausforderung. Aber nach dem ausschweifenden Hindernis-Parkour kommt es zur romantischen Annäherung.
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Ein beziehungsunfähiger Held als Macker
Auch wenn er in seinem neuen Film an den märchenhaften Erzählton des Vorgängers „Die anonymen Romantiker“ anknüpft, geht es hier deutlich burlesker zu. Die Reibungspunkte zwischen den beiden sind genauso vorhersehbar wie der herzerwärmende Effekt des Sohnemanns, der sich nach einer Vaterfigur sehnt.
Etwas abgeschmackt wirkt die Figurenentwicklung des beziehungsunfähigen Helden, der erst einmal ein bisschen den Macker spielen muss, um sich Respekt und Liebe zu erarbeiten. Was dem Plot aber an Originalität fehlt, gleicht der Film nur teilweise durch seine visuelle Gestaltung aus. Liebevoll ausgestattete und kolorierte Settings betten das Geschehen in ein leicht surreales Umfeld ein.
Kino: Isabella (OmU), Arena / R: Jean-Pierre Améris (F, 97 Min.)
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