Fack Ju Göhte 2: Mit Paukern und Proleten

Die Fortsetzung von "Fack Ju Göhte" ist ein gelungener Schnellschuss mit hoher Gagdichte.
von  Martin Schwickert

Unglaubliche 7,3 Millionen Kinozuschauer kürten Bora Dagtekins "Fack Ju Göhte" vor zwei Jahren zum vierterfolgreichsten deutschen Film seit Beginn der Besucherzählung. Der Film ist ein ungehobeltes, originelles Stück Kino. Der Plot war eher vernachlässigbar. Seinen Drive bezog "Fack Ju Göhte" aus seiner Liebe zum sozialen Detail und einer Sprache, die den Slang auf den Schulhöfen mit all seinen grammatikalischen Fehlstellungen kunstvoll überhöhte. Sprüche wie "Chantal, heul leiser!" oder „Herr Müller, Sie sind ein Geisterkranker“ wurden nicht nur auf den Schulfluren zitierfähig.

Dagtekins hart aber herzlicher Blick schonte die Jugendlichen aus der 10b der "Johann Wolfgang von Goethe Gesamtschule" nicht, ohne jedoch die Loyalität zu den Figuren je infrage zu stellen. Dass der Film seine Charaktere bei aller Zurschaustellung ihrer Schwächen liebt, wird im zweiten Teil nun noch deutlicher. Sicherlich merkt man dieser Fortsetzung an, dass sie vom Überraschungserfolg angetrieben mit heißer Nadel gestrickt wurde. Die Idee, die Schulhof-Chaoten auf Klassenfahrt zu schicken ist ein wenig zu naheliegend.

Dafür wirkt das Reiseziel Thailand zunächst etwas exotisch. Die Umwelt-AG fährt auf Geheiß der ehrgeizigen Direktorin Gerster (Katja Riemann) nach Südostasien, um dort mit sozialem Engagement zu punkten und die verrufene Gesamtschule im innerstädtischen Ranking nach oben zu bringen. Aber Zeki Müller (Elyas M’Barek) hat seine eigenen Gründe für die Klassenfahrt. Ein Beutel mit Diamanten hat sich mit einer Stofftierspende nach Thailand verirrt. Die Diebesbeute eines Knastkumpels soll als Kapital für einen beruflichen Neuanfang dienen. Denn das Lehrerdasein und das frühe Aufstehen nerven den neuen Kollegen schon nach wenigen Monaten. Erneut muss sich Zeki zwischen krimineller und pädagogischer Karriere entscheiden, womit die Grundmotivation des ersten Teils eins zu eins übernommen wird.

Nach der etwas ungelenken Handlungseinführung startet der Film mit dem Landeanflug auf Bangkok richtig durch. Vom Saufgelage im Strip-Club über das Schrotten eines Motorbootes bis zur bekifften Bibi&Tina-Persiflage auf dem Rücken zweier Elefanten lassen die Gesamtschulchaoten kaum etwas aus. Nebenbei sorgt ein Wettstreit mit einer Gesandtschaft des verfeindeten Schiller-Gymnasiums für Turbulenzen und eine Tsunami-Waisenkinder-Gang für unerwartete Betroffenheit und soziales Engagement. Zusammengehalten wird die dramaturgische Loseblattsammlung erneut von der frotzeligen Dialoggewalt Dagtekins, der auch hier wieder aus dem großmäuligen Jugendslang eine ganz eigene Poesie entwickelt.

Ganz groß kommt in der Fortsetzung Publikumsliebling Chantal zur Geltung. Dass sich die bildungsferne Assi-Braut im Pimkie-Outfit derart in die Herzen des Publikums spielte, ist eine Leistung des Films und der fabelhaften Jella Haase. Ihre Figur wird im zweiten Teil nicht nur mit originellen Sprüchen, sondern auch mit familiären Hintergrundinformationen ausgebaut. Und das gilt auch für den Rest der Problemschülerschaft, die nicht nur im Partymodus über die Leinwand steppt, sondern sich auch emotional öffnen darf. Wenn Lehrer Müller heimlich an die Eltern eine SMS schreibt, findet Dagtekin sogar den Mut und vor allem auch den richtigen Ton für familiäre Sentimentalitäten.

Insgesamt ist dieser zweite Teil ein gelungener Balanceakt. Er holt einerseits mit bewährtem Handlungsmuster, liebgewonnenen Charakteren und ein wenig Action die Fans direkt vor der Haustür ab. Andererseits baut er die Figuren innerhalb der engen Genregrenzen aus, sie dürfen zwischen qualifiziertem Herumgeblödel auch mal ein wenig Gefühl zeigen.

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