"Es": Es ist in unserem Inneren

In seinem Remake des Gruselklassikers "Es" konzentriert sich Regisseur Andy Muschietti auf die jungen Protagonisten.
Florian Koch |
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Als hätten die Jugendlichen mit dem Mobbing in der Schule nicht schon genug Horror. Aber jetzt taucht auch noch Pennywise (Bill Skarsgard) auf.
Warner Als hätten die Jugendlichen mit dem Mobbing in der Schule nicht schon genug Horror. Aber jetzt taucht auch noch Pennywise (Bill Skarsgard) auf.

Was tun, wenn in der Klasse niemand weiterweiß? Dann ruft der Lehrer vielleicht doch den auf, der sich eigentlich nie meldet und auch sonst so wirkt, als wäre er mit den Gedanken woanders. Ganz ähnlich müssen sich in den USA in diesem Sommer die Filmstudios gefühlt haben. Denn bis auf wenige Ausnahmen blieben Blockbuster hinter den Erwartungen zurück, strichen selbst sicher geglaubte Hits wie "Pirates of the Caribbean 5“ an den Kinokassen die Segel.

Doch nun scheinen die Sorgen – wenigstens beim Warner-Studio – wie weggeblasen. Denn ausgerechnet ihr mit 35 Millionen Dollar kostengünstig produzierter Außenseiter, die Stephen-King-Neuverfilmung "Es“, lockt die Zuschauer in Strömen an – weltweit. Doch was macht diesen Horrorstoff aus der 80er-Mottenkiste so reizvoll?

Horrorclown Pennywise wenige Auftritte verpuffen in Effekthascherei

Am Gruselfaktor liegt es nicht. Der legendäre Horrorclown Pennywise (Bill Skarsgard), der in der fiktiven US-Kleinstadt Derry alle 27 Jahre Jagd auf Kinder macht, letztlich aber vor allem eine Verkörperung ihrer Ängste ist, hat nur wenige Auftritte. Die verpuffen sogar trotz fies verzerrter Stimme und unansehnlicher Hasenscharte weitgehend. Verantwortlich dafür ist Regisseur Andy Muschietti, der in seiner effektheischenden Inszenierung der kindlichen Alptraumszenarien vor allem auf hochgepeitschte Soundeffekte und plötzliche Schocks setzt. Anders als in der King’schen Vorlage wird die Handlung von den 50ern in die späten 80er Jahre versetzt.

Warum die Neuverfilmung trotz der Aneinanderreihung immer gleicher Spannungssequenzen durchaus den Kinobesuch lohnt, liegt am "Club der Verlierer“, den Kindern. Regisseur Muschietti verzahnt die Kindergeschichte auch nicht mit ihrem späteren Erwachsensein wie im Roman - wahrscheinlich um Raum für seine Kino-Fortsetzung zu haben. Mit der Fokussierung auf die Kinderzeit wirkt die Erzählung zwar simpler, dafür bleibt aber jetzt erst einmal auch mehr Raum, sich auf die Probleme der sieben jugendlichen Hauptfiguren einzulassen.

"Club der Verlierer" als Sinnbild für alles Randständige und Unangepasste

Genial hat es schon King verstanden, alles Randständige, Unangepasste in diesen Kids zu bündeln. Im "Club der Verlierer“ findet sich der zu Tiertötungen gezwungene Farbige, ein streng religiös erzogener Jude, ein vernachlässigter Sprücheklopfer, ein ängstlicher Hypochonder, ein dicklicher Bücherwurm und im Zentrum ein schuldbeladener Stotterer, der die Suche nach seinem verschollenen kleinen Bruder noch nicht aufgegeben hat. Sie alle eint, dass sie nirgendwo dazugehören und deshalb dankbare Mobbingopfer sind.

Aus diesen einfühlsam porträtierten Ausgestoßenen sticht aber Sophia Lillis und ihre Verkörperung des einzigen Mädchens, Beverly, hervor. Wie es der hübschen 15-Jährigen gelingt, im Kampf gegen ihren übergriffigen Vater gleichermaßen glaubwürdig Stärke und Verletzlichkeit zu zeigen, geht an die Nieren und findet in einer Szene ihren Höhepunkt, als sie sich radikal ihrer Locken entledigt, um "als Junge“ für Daddy nicht mehr attraktiv zu wirken. Ein bestürzendes Bild, das auch veranschaulicht, dass die Gefühllosigkeit und Brutalität der Erwachsenen der eigentliche Horror sind.


Kino: Cinema, Cinemaxx, City, Gabriel, Gloria, Solln, Leopold, Mathäser
Regie: Andy Muschietti (USA, 135 Min)

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