"Elvis" neu im Kino: Mit Kajal und göttlichem Talent
Elvis lebt!" Als der "King of Rock'n'Roll" am 16. August 1977 mit 42 Jahren an Drogen, Aufputschspritzen, Einsamkeit und Entkräftung in seiner beklemmend überladenen, geschmacklos neureichen Graceland-Villa starb, wollten das viele nicht wahrhaben.
Wer nach zweieinhalb Stunden aus Baz Luhrmanns dynamischen Unterhaltungsfilm kommt, fühlt sich aufgekratzt vitalisiert und hat Elvis - ob Bewunderer oder nicht - ins Herz geschlossen. Denn der Film "Elvis" ist eine große Hommage an ein musikalisches Genie. Und es sind sogar einige moderne Blickwinkel auf Elvis eingestreut.
Einstieg als Fan: "Elvis" beginnt mit einem Bilderfeuerwerk
Der ganz junge Südstaaten-Elvis zuckt und kreist auf der Bühne, was überblendet wird in poppige 50er-Jahre Schriftzüge. Auch eine Superhero-Marvel-Figur poppt aus dem Bilderstrudel auf: eine Identifikationsfigur des amerikanischen Traums für den Jungen Elvis, dessen Vater im Knast war und der mit seiner Mutter in ein schwarzes Viertel ziehen musste.
Mit einem Bilderfeuerwerk fängt "Elvis" an, und nach wenigen, rasenden Minuten überlässt man sich überwältigt und bereitwillig gehirngewaschen dem Film als Fan. Das Leinwandbild zirkuliert jetzt hinüber in das 45er-Kreiseln der ersten Single: "That's allright, Mama". Und es ist genau diese Frau, die das Muttersöhnchen Elvis auch über ihren frühen Tod hinaus begleiten wird.
Mit ihrem "Ist okay, mein Junge. Gott hat Dir dieses Talent gegeben, also kann es nicht teuflisch sein" hat sie ihm psychologisch den Weg frei gemacht. Und das, als sich schon früh klerikaler und konservativer Widerstand regte gegen den eigentlich netten, jungen Weißen. Denn dessen geschminkte Auftritte in grell-bonbonfarbenen Anzügen und sexuellen Zuckungen versetzten der Südstaaten-Country-Idylle, die nie eine war, Stromstöße. Und durfte einer mit schwarzer Musik weiße Frauen und Mädchen so unheimlich ekstatisch verzücken?
Austin Butler spielt Elvis akrobatisch, intensiv, lässig
Der 30-jährige Austin Butler spielt dabei Elvis akrobatisch, intensiv und lässig als ewigen Schönling, bei dem auch der späte Elvis im 70er-Jahre-Body-Glitzeranzug keine Abnutzungserscheinungen zeigt. Was durchaus schön ist, aber eben auch geschönt.
"Sie haben mich zum Bösewicht gemacht", sagt früh im Film in einer Überblende in die späten 90er Jahre ein alter, aufgeschwemmter Herr, während er sich gerade aus einem Altersheim spielsüchtig in Richtung Casino schleicht: Es ist Tom Hanks als Tom Parker, der frühe Förderer von Elvis, sein lebenslanger Manager - und vielleicht sein Todesurteil.
"Elvis" ist mitreißendes Unterhaltungskino
Denn dieser falsche Colonel, der eigentlich Andreas Cornelius van Kuijk hieß und gar keinen amerikanischen Pass besaß, hatte den Superstar ausgepresst wie eine Zitrone: Auftritte um jeden Preis, am Ende fünf Jahre Nonstop, gefangen wie eine Aufziehpuppe im Goldenen Käfig in Las Vegas.
Luhrmann greift bei "Elvis" auf den üblichen Trick zurück, jemanden - hier Tom Parker - aus der Erinnerung erzählen zu lassen. Was auch den Vorteil hat, nicht immer faktisch korrekt sein zu müssen.
"Elvis" ist eben kein dokumentarisches "Biopic", sondern mitreißendes Unterhaltungskino. Dabei kommt der Film Elvis wirklich nahe, wenn auch letztlich einiges nicht wirklich greifbar wird: die anfängliche Armut, spätere Depressionen, Verschwendungssucht und Stillosigkeiten, Drogen oder auch die Trennung von Priscilla (Olivia DeJonge), weil er nur sein Publikum lieben und von ihm geliebt werden konnte, wie der Film es erklärt.
Dabei hat der Film zwar keinen schlüssigen dramaturgischen Fixpunkt gefunden, weil Luhrmann das ganze Leben von Elvis Aaron Presley (1935 - 1977) erzählen will. Aber so ist ein intensiv koloriertes, chronologisches Film-Bilderbuch entstanden, das bald sogar einen gleichmäßig ruhigeren Erzählrhythmus findet und keine Sekunde durchhängt.
Am Ende bleiben so vor allem besondere einzelne Szenen in Erinnerung, für die sich Luhrmann immer auch besondere Perspektiven und verschraubte Kamerafahrten einfallen lässt. Zum Beispiel, wie sich Elvis als Junge in einen Gospelgottesdienst schleicht, wo er von der spirituellen, rhythmischen gesungenen Ekstase so mitgerissen wird, dass er in Trance verfällt: ein Schlüsselmoment.
Elvis kommt auch als politisch handelnder Mensch vor
Und es ist ein starker Akzent, wie Elvis als Mensch gezeichnet wird, der in einer rassistischen Gesellschaft völlig frei von Rassismus ist. Elvis bleibt hier immer ganz offen voller Bewundernung für seine schwarzen Vorbilder und Gefährten wie Mahalia Jackson mit ihrem Gospel, BB-King und dessen Blues oder Chuck Berry und seinem Rock'n'Roll. Luhrmann zeigt das elegant, als Elvis durch die Beale Street in Downtown Memphis streicht. Aus einem Fenster tönt ein langsamer Bluessong: "You ain't nothing but a hound dog", singt Big Mama Thornton, was dann - auf doppelte Geschwindigkeit von Elvis hochgefahren - zu einer seiner berühmten Rock'n'Roll-Nummern wird.
Dezent macht Luhrmann so Elvis auch zum Mentor und Botschafter der Schwarzen auf ihrem Weg in die Mainstreamkultur Amerikas. Und Elvis kommt - ohne Intellektualität, aber mit einem humanen Instinkt - auch als politisch handelnder Mensch vor.
Das alles ist wunderschön anzuschauen, sehr zirzensisch, szenenweise auch ergreifend und damit ganz großes Kino.
Kino: Sendlinger Tor, Gloria, Solln, Rex, Cadillac, Cinemaxx sowie Leopold, Astor im Bayerischen Hof, Rio (auch OmU), City, Monopol (OmU), Mathäser, Arri (auch OV) und Cinema, Museum (OV), R: Baz Luhrmann (USA, 160 Min.)