Kritik

"Eingeschlossene Gesellschaft": Verstaubte Paukerklischees

Sönke Wortmann dreht eine etwas veraltete, zu simple Schulkomödie: "Eingeschlossene Gesellschaft".
von  Adrian Prechtel
Geben Sie mal das Handy her: Konrektor und Prinzipienreiter Engelhardt (Justus von Dohnányi) sitzt mit seinen Kollegen fest: darunter Anke Engelke (li. von ihm) als Spießerin und Thomas Loibl (re.) als Opportunist. Daneben Florian David Fitz sowie Nilam Farooq und Torben Kessler.
Geben Sie mal das Handy her: Konrektor und Prinzipienreiter Engelhardt (Justus von Dohnányi) sitzt mit seinen Kollegen fest: darunter Anke Engelke (li. von ihm) als Spießerin und Thomas Loibl (re.) als Opportunist. Daneben Florian David Fitz sowie Nilam Farooq und Torben Kessler. © Sony

Von Sartre stammt das existenzialistische Theaterstück "Geschlossene Gesellschaft". Am Ende steht die Erkenntnis: "Die Hölle, das sind die anderen", weil man ihnen nicht ausweichen kann. Das Klassenzimmer ist oft so ein Ort des Ausgeliefertseins. Und weil jeder einmal in der Schulbank saß, sind Schulfilme ein dankbares Sujet - man denke nur an den Erfolg von "Fack ju Göhte".

Es geht filmisch wieder ins Lehrerzimmer

2015 hat Sönke Wortmann mit "Frau Müller muss weg" schon einmal eine geistreiche, entlarvende Schulsatire mit 1,1 Millionen Zuschauern in Deutschland verfilmt - in Form einer eskalierenden Elternsprechstunde. Jetzt - nach seinen Erfolgen mit französischen Vorlagen wie "Der Vorname" und "Contra" - geht es mit "Eingeschlossene Gesellschaft" zurück ins Lehrerzimmer.

Schlechte Noten und eine Pistole

Freitag Nachmittag, längst nach Schulschluss: Es klopft. Ein Schüler? Nein, ein nervöser, etwas hilflos wirkender Vater (Thorsten Merten). Lästig, denken die wenigen verbliebenen Lehrer und Lehrerinnen vor ihrem Start ins Wochenende und wollen ihn abwimmeln - bis er mit einer Pistole herumfuchtelt. Sein Sohn droht wegen eines einzigen Notenpunktes in Latein beim konservativen Prinzipien-Pauker Engelhardt (Justus von Dohnányi) durchs Abitur zu rasseln.

Der Vater sperrt also den Co-Direktor Engelhardt, die verhärmte, elitäre Bildungsfetischistin (Anke Engelke), den jovialen Schülerfreund (Thomas Loibl), den nerdigen Mathe-Physik-Lehrer (Torben Kessler), den ewig-jugendlichen Sportlehrer (Florian David Fitz) und die ambitionierte Referendarin (Nilam Farooq) für eine Stunde ein: Dann haben sie einen Notenpunkt rausgerückt oder es knallt!

Kein Klischee wird ausgelassen

Das Drehbuch zum Film, der in seiner Geschlossenheit von Ort, Zeit und Raum auch während Corona gut abzudrehen war, hat Autor Jan Weiler ("Maria ihm schmeckt's nicht", "Das Pubertier") verfasst und dabei kein Klischee ausgelassen - was für Komödien zwar kein schlechtes Konzept ist, aber eben auch nicht besonders geistreich.

Der Clou: In der eskalierenden Auseinandersetzung mit wechselnden Konstellationen zwischen Hardlinern und Opportunisten müssen reihum alle im Lehrerzimmer die Hosen herunterlassen, weil sich immer mehr Geheimnisse, Intrigen, Disziplinarverfahren, Karriereenttäuschungen und Affären entblättern - bis ins angeblich so penible Notenbuch des unbestechlichen Engelhardt hinein ("Ich habe keine Meinungen, ich habe Ergebnisse"), so dass keiner mehr sein über Jahre aufgebautes Image aufrechterhalten kann.

Witzig, aber vorhersehbar

Das alles ist durchaus witzig gemacht, aber deutlich zu vorhersehbar und damit ausgebremst, auch weil jeder Charakter genau die Schwäche hat, die seinem Image am meisten entgegensteht: der Korrekte entpuppt sich als korrupt, die Gebildete ist doch ordinär und sexistisch und so weiter. Am Rande der fast spielerischen Schulgeiselnahme kommen auch noch Polizisten ins Spiel - aber leider eindimensional als unterbelichtete Nichtstuer.

Lehrer haben auch in Komödien mehr verdient

Natürlich darf eine Komödie unfair oder politisch inkorrekt sein, aber Lehrer und Lehrerinnen haben auch in einer Komödie verdient, mehr als ewig Gestrige oder an Schülern desinteressierten Typen zu sein. Es fehlen hier beim Lachen jeglicher zweite Gedanke oder schillernde Doppelbödigkeit, was aus einer flachen Komödie geistvolle Satire machen würde.

So aber wirkt "Eingeschlossene Gesellschaft" wie eine deutsche Komödie vom Fließband. Und viele interessante Fragen, was eigentlich pädagogisch und bei der Notenvergabe richtig wäre - Empathie oder schematische Gerechtigkeit? - wird gar nicht erst diskutiert. Schade bei einem derart guten Cast. So aber konnte sich jeder nur im Rahmen der vorgegebenen Möglichkeiten bemühen.


Kino: Astor im Arri, Bayerischer Hof, Cinemaxx, City, Sendlinger Tor, Gloria, Leopold, Mathäser, Rio und Royal, R: Sönke Wortmann (D,102 Min.)

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