Eine Mission - viele Missionare
Sie sind jung, dynamisch und äußerst kreativ: Münchens Filmnachwuchs will nicht nur Kino machen, er will Filmgeschichte mitgestalten – mit den eigenen Produktionsfirmen zum Erfolg.
MÜNCHEN - Berlin kann einpacken. Als heimliche Filmhauptstadt gilt München schon längst. Das bestätigen jetzt auch Studien. Nicht nur, dass die weiß-blaue Metropole mit 32 Prozent des gesamtdeutschen Umsatzes der überragendste Filmmarkt hierzulande ist. Die Münchner Produzenten sollen auch am zufriedensten mit ihrem Standort sein. Nicht umsonst gibt es in Bayern rund 1500 Filmunternehmen – die meisten mit Sitz in München. Als Kaderschmiede gilt dabei die Filmhochschule München (HFF). Schon vier Oscargewinner brachte sie hervor. Und Jahr für Jahr kommen unzählige junge Filmschaffende hinzu, die sich mit ihren Ideen in die Selbstständigkeit wagen – mit Erfolg.
Wie macht man aus einer Idee ein Geschäft? Ganz einfach: „Man bekennt sich unabdingbar zueinander – und ackert, was das Zeug hält“, sagt Rafael Parente. Der 30-jährige Produzent gründete vor vier Jahren die Produktionsfirma Neuesuper zusammen mit seinen Freunden, dem Regisseur Korbinian Dufter und dem Produzenten Simon Amberger. Kennengelernt haben sie sich auf der HFF. „Wir fanden gegenseitig unsere Projekte toll – so simpel hat es angefangen“, sagt Parente. Die ersten gemeinsamen Konzepte folgten – unter anderem für einen Werbespot für die eigene Hochschule. Darin befragt Regisseurin Mirjam Orthen einen kleinen Jungen nach seinem ersten Kinoerlebnis. Schön war es augenscheinlich nicht – der Bub schlägt zum Schluss die Hände vors Gesicht.
Der Stein zur Selbstständigkeit war gelegt und der passende Name schnell gefunden. „Neuesuper – in Anlehnung an die ehemalige Produktionsfirma Super-Film“, sagt Dufter. Das Ganze finanziert haben die drei mit einer Mischkalkulation: Werbeprojekte fürs Geld, Spielfilme für die kreative Seele. So wie „Eastalgia“. Die Multiplot-Liebesgeschichte von Daria Onyshchenko spielt in drei verschiedenen Städten – Kiev, Belgrad und München – und wurde jüngst für den Studio-Hamburg-Nachwuchspreis nominiert.
„Eine Ehre“, sagt Dufter. „Und Belohnung!“ Denn der Film, der eine Generation Osteuropäer beleuchtet, die, anders als ihre Eltern, ihr Glück in ihren Heimatländern sucht, sei schon eine Herausforderung gewesen. „Die Koproduktion mit Serbien und der Ukraine war für einen Debütfilm schon ungewöhnlich“, sagt Dufter. „Und dann sind die dortigen Fördersysteme auch noch nicht so zuverlässig wie bei uns. Da mussten wir schon kämpfen.“ Aber auch hier bewährte sich das Motto der drei: ganz oder gar nicht. „Eastalgia“ wurde bereits auf Filmfestivals gezeigt. "Jetzt suchen wir nach einem Verleiher", sagt Amberger. "Damit der Film auch in den Münchner Kinos zu sehen ist."
Großes Kino wollen auch Jan Linnartz und Max Mayer machen. Erlebt haben sie es schon – in Tokio. Sieben Wochen tingelten der Kameramann und der Regisseur für den Sportartikelhersteller Puma durch die Welt. Ein Werbefilm sollte gedreht werden. Kein klassischer fürs Fernsehen, sondern ein provokanter, verrückter Online-Spot für die junge Zielgruppe. So lautete die Ausschreibung für die deutschen Filmhochschulen. Die HFF-Studenten Linnartz und Mayer überzeugten mit ihrem „Around the world“-Konzept. „Wir haben das Unternehmensvideo an insgesamt zwölf Standorten rund um den Globus gedreht“, sagt Linnartz. „Da erlebt man unglaublich viel – am obskursten war aber wohl Japan.“
Ein Puma-Schuhdesigner lud die beiden zu einer Underground-Party ins Tokioer Rotlichtviertel ein. „Wir also hin und uns nach dieser Location durchgefragt. Die war aber so geheim, dass keiner wusste, wo die sein sollte.“ Sie war in einer Privatwohnung, „versteckt“ auf dem Dachboden. „Bei gefühlten 40 Grad saßen da Künstler wie Japans wohl bekanntester Underground-Artist, der aus Nasendreck Goldbarren kreiert, tranken und redeten“, sagt Mayer. Ein irres Erlebnis – wie im Film. Neben Werbespots produzieren Linnartz und Mayer mit ihrer Firma Ivory Productions auch Kunst- und Spielfilme. Die Arbeit erledigen sie zu zweit – noch.
„Am Anfang ist so eine Firma kein großes Problem. Da muss man ein paar Formulare ausfüllen und ein paar steuerliche Sachen wissen. Aber um so mehr Projekte rein kommen, desto größer der Papierkram“, sagt Linnartz. Wenn man aber solche Aufträge wie Puma an Land ziehe, arbeite man gern ohne Pause. „Das war eine Riesenchance – und der Folgeauftrag ist schon in der Pipeline.“