Kritik

Ein diabolischer Hugh Grant in "Heretic"

Der Brite, der eigentlich Everybody's Darling ist, spielt jetzt in einem Psychothriller als gefährlicher Hobby-Theologe
von  Florian Koch
Ein unheimlicher Grandseigneur (Hugh Grant) denkt, er habe intellektuell ein leichtes Spiel mit den beiden Mormonen-Missionarinnen (Sophie Thatcher, Mitte, und Chloe East):ein Irrtum.
Ein unheimlicher Grandseigneur (Hugh Grant) denkt, er habe intellektuell ein leichtes Spiel mit den beiden Mormonen-Missionarinnen (Sophie Thatcher, Mitte, und Chloe East):ein Irrtum. © Plaion Pictures

Diesen stoffeligen, leicht nervösen Charmeur mit dem spitzbübischen Lächeln: Ihn hat Hugh Grant oft, vielleicht zu oft verkörpert. Bereits in den 90ern sehnte sich der Brite nach einer Abwechslung im Rollenfach. Es hat lange gedauert, aber in "Heretic" darf Grant nach kauzig-schrägen Gast-Auftritten in Filmen wie "Wonka" endlich zeigen, was noch in ihm steckt.

Regisseur Bryan Woods stimmt Hauptdarstellerinnen Sophie Thatcher und Chloe East (v.l.n.r.) auf eine Szene ein.
Regisseur Bryan Woods stimmt Hauptdarstellerinnen Sophie Thatcher und Chloe East (v.l.n.r.) auf eine Szene ein. © PLAION PICTURES / Kimberley French

Der Unheimliche zieht unsere Sympathie auf sich

Auch mit 64 Jahren und graumeliert ist dieser schlaksige Schauspieler jemand, der sofort die Sympathien auf sich zieht. Und diese verführerische Gabe nutzen die Regisseure Scott Beck und Bryan Woods in "Heretic" gekonnt aus, um die Zuschauer und ihre beiden weiblichen Hauptfiguren vorschnell in Sicherheit zu wiegen.

Die jungen Missionarinnen Barnes (Sophie Thatcher) und Paxton (Chloe East) haben im beschaulichen Colorado den Auftrag ihren mormonischen Glauben an den Mann oder die Frau zu bringen. Angeblicher Interessent ist der in einem abgelegenen Haus residierende Mr. Reed (Hugh Grant).

Missionarisch unterwegs: Schwester Barnes (Sophie Thatcher) und Schwester Paxton (Chloe East) wissen noch nicht, dass sie als Nächstes an die falsche Tür klopfen werden.
Missionarisch unterwegs: Schwester Barnes (Sophie Thatcher) und Schwester Paxton (Chloe East) wissen noch nicht, dass sie als Nächstes an die falsche Tür klopfen werden. © Kimberley French

Unheimlich labyrinthisches Horrorhaus

Freundlich bittet der ältere, bebrillte Mann die Damen hinein. Ein Blaubeerkuchen und angeregte theologische Debatten sollen im Wohnzimmer auf sie warten. Doch es kommt anders. Denn dieser Mr. Reed entpuppt sich bald als Psychopath, der mit seinen Gästen Gedankenspiele durchexerziert: nach seinen Regeln versteht sich und nach und nach in immer neuen verschlossenen Räumen, die tief hineinführen in sein unheimliches, labyrinthisches Horrorhaus.

Hugh Grant als smarter, aber dubioser Bildungsbürger mit Religionsfimmel.
Hugh Grant als smarter, aber dubioser Bildungsbürger mit Religionsfimmel. © Kimberley French

Im Gegensatz zu anderen Genrefilmen vertrauen die Autoren von "A Quiet Place" nicht auf vordergründige Schockmomente, sondern auf zwei Dinge: die Qualität ihrer doppelbödigen Dialoge - wie "Woher stammt der Satz: Aus großer Kraft folgt große Verantwortung?" "Spiderman?" "Nein, Voltaire.". Und auf die Klasse des Schauspiel-Trios.

Mit großer Lust am neuen Spiel

Mit großer Lust, und mittlerweile Golden-Globe-nominiert, verkörpert Grant den Möchtegern-Theologen, der es liebt zu belehren und die Weltreligionen als sich ständig wiederholende Variationen abkanzelt. Seine süffisante, intellektuelle Überlegenheit konterkariert der packende Film mit den Erwartungshaltungen der Zuschauer. Die anfangs als naiv und unbedarft porträtierten Missionarinnen haben auch mehr zu bieten, als es ein Mr. Reed erwartet.

Hugh Grant vor einem Interviewtermin in Berlin.
Hugh Grant vor einem Interviewtermin in Berlin. © picture alliance/dpa

Und wenn dieser eitle Verschwörungstheoretiker seine Thesen über die Kontrolle als einziges Allheil-Mittel der Kirchen propagiert, schafft es der Film genüsslich und abgründig, dessen eigenen Kontrollverlust zum Thema zu machen.

Kino: City, Monopol sowie Cinema, Museum (OV)
R: Scott Beck, Bryan Woods (USA, 111 Min.)

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