Ein diabolischer Hugh Grant in "Heretic"

Diesen stoffeligen, leicht nervösen Charmeur mit dem spitzbübischen Lächeln: Ihn hat Hugh Grant oft, vielleicht zu oft verkörpert. Bereits in den 90ern sehnte sich der Brite nach einer Abwechslung im Rollenfach. Es hat lange gedauert, aber in "Heretic" darf Grant nach kauzig-schrägen Gast-Auftritten in Filmen wie "Wonka" endlich zeigen, was noch in ihm steckt.

Der Unheimliche zieht unsere Sympathie auf sich
Auch mit 64 Jahren und graumeliert ist dieser schlaksige Schauspieler jemand, der sofort die Sympathien auf sich zieht. Und diese verführerische Gabe nutzen die Regisseure Scott Beck und Bryan Woods in "Heretic" gekonnt aus, um die Zuschauer und ihre beiden weiblichen Hauptfiguren vorschnell in Sicherheit zu wiegen.
Die jungen Missionarinnen Barnes (Sophie Thatcher) und Paxton (Chloe East) haben im beschaulichen Colorado den Auftrag ihren mormonischen Glauben an den Mann oder die Frau zu bringen. Angeblicher Interessent ist der in einem abgelegenen Haus residierende Mr. Reed (Hugh Grant).

Unheimlich labyrinthisches Horrorhaus
Freundlich bittet der ältere, bebrillte Mann die Damen hinein. Ein Blaubeerkuchen und angeregte theologische Debatten sollen im Wohnzimmer auf sie warten. Doch es kommt anders. Denn dieser Mr. Reed entpuppt sich bald als Psychopath, der mit seinen Gästen Gedankenspiele durchexerziert: nach seinen Regeln versteht sich und nach und nach in immer neuen verschlossenen Räumen, die tief hineinführen in sein unheimliches, labyrinthisches Horrorhaus.

Im Gegensatz zu anderen Genrefilmen vertrauen die Autoren von "A Quiet Place" nicht auf vordergründige Schockmomente, sondern auf zwei Dinge: die Qualität ihrer doppelbödigen Dialoge - wie "Woher stammt der Satz: Aus großer Kraft folgt große Verantwortung?" "Spiderman?" "Nein, Voltaire.". Und auf die Klasse des Schauspiel-Trios.
Mit großer Lust am neuen Spiel
Mit großer Lust, und mittlerweile Golden-Globe-nominiert, verkörpert Grant den Möchtegern-Theologen, der es liebt zu belehren und die Weltreligionen als sich ständig wiederholende Variationen abkanzelt. Seine süffisante, intellektuelle Überlegenheit konterkariert der packende Film mit den Erwartungshaltungen der Zuschauer. Die anfangs als naiv und unbedarft porträtierten Missionarinnen haben auch mehr zu bieten, als es ein Mr. Reed erwartet.

Und wenn dieser eitle Verschwörungstheoretiker seine Thesen über die Kontrolle als einziges Allheil-Mittel der Kirchen propagiert, schafft es der Film genüsslich und abgründig, dessen eigenen Kontrollverlust zum Thema zu machen.
Kino: City, Monopol sowie Cinema, Museum (OV)
R: Scott Beck, Bryan Woods (USA, 111 Min.)