Edle Einfalt, ohne Größe
Trotz überzeugender Hauptdarsteller misslingt Detlev Buck eine filmisch überzeugende „Vermessung die Welt”. Aus feiner Ironie wird derberSchenkelklopfer-Humor in knalligem 3D
Rennen zwei Millionen Leser auch ins Kino, wenn die Verfilmung anläuft? Sicherlich nicht alle, aber allein die Möglichkeit auf einen Kassenhit ist zu verführerisch, um es nicht zu versuchen.
Detlev Buck stand bei der „Vermessung der Welt” jedoch vor dem gleichen Problem wie Tom Tykwer und sein „Parfüm”: Die Roman-Vorlage galt als unverfilmbar. War es bei Patrick Süskind noch die Sprachfantasie, die sich kaum auf die Leinwand übertragen ließ, liegt der Inszenierungs-Hund bei Daniel Kehlmann in der indirekten Erzählweise der fiktiven Doppelbiografie begraben.
Buck entzieht sich der Schwierigkeit mit einem simplen Kniff. Er setzt Kehlmann als Erzähler ein und entwickelt die Charakterstudien der Geistesgrößen Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt in einer streng chronologischen Parallelmontage. So nimmt er den Zuschauer gleich zu Beginn an der Hand, indem er holzschnittartig die unterschiedlichen Milieus absteckt. Da haben wir auf der einen Seite das Mathematikgenie Gauß, das förmlich im Dreck aufwächst, gehänselt wird, aber im Klassenraum ungeahnte Qualitäten zeigt, die auch sein Prügelstrafen-Lehrer Büttner (Karl Markovics) anerkennt.
Auf der anderen Seite steht der adlige Humboldt, ein Eigenbrötler und begeisterter Forscher, der bereits in jungen Jahren feststellt, „dass man heiratet, wenn man nichts Besseres zu tun hat”. Vor der großen Zusammenkunft im Schlussakt lässt Buck die beiden Buben in Anwesenheit des Herzogs von Braunschweig (Michael Maertens) einmal aufeinander treffen.
Gerade diese wichtige Szene offenbart die Schwäche von Bucks Inszenierung. Maertens blödelt sich derart in den Vordergund, dass die Begegnung gänzlich unspektakulär ausfällt. Und die subtile Ironie, mit der Kehlmann im Roman den debilen Adelsdünkel vorführt, fehlt völlig.
Die prominenten Nebendarsteller – eine gewohnt schrille Sunnyi Melles als Humboldts Glucken-Mutter und Komiker Max Giermann als glubschäugige Soldaten-Knallcharge – hauen in ihren kurzen Auftritten derart auf den Putz, dass der Zuschauer meinen könnte, er befände sich im Bauerntheater.
Immerhin zieht Buck die Knalligkeit konsequent durch. Die manipulierende Filmmusik ist dick aufgetragen, und die Kamera weidet sich an nackter Haut und Ekelszenen wie ein „Zahnarztbesuch” von Gauß. Selten hat man auch erlebt, dass ein Film so mit seiner 3D-Technik protzt wie „Die Vermessung der Welt”.
Ob Kerzen, Pflanzen oder Pferdeköpfe im Bild-Vordergrund aber nicht eher von der Geschichte ablenken, steht auf einem anderen Blatt.
Wenigstens holen Florian David Fitz als Gauß und Albrecht Schuch als Humboldt aus ihren schwierigen Rollen das Beste raus. Ihnen gelingt es, die brennende Neugier der sonst so verschiedenen Wissenschaftler zu vermitteln. Ganz subtil, und ohne große Gesten.
Kino: Arri, CinemaxX, Mathäser, Münchner Freiheit, Royal
R: Detlev Buck (D, 123 Min.)
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