Dreibeinige Hunde

Mit bissigem Witz erzählt Sam Gabarski in der Dramödie "Es war einmal in Deutschland" von Juden im Nachkriegsdeutschland.
Gabriele Summen |
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Sam Gabarskis Dramödie "Es war einmal in Deutschland" weiß durch seinen - nicht immer geglückten - Wechsel zwischen Tragik und schwarzem Humor letztlich doch zu überzeugen.
X Verleih AG Sam Gabarskis Dramödie "Es war einmal in Deutschland" weiß durch seinen - nicht immer geglückten - Wechsel zwischen Tragik und schwarzem Humor letztlich doch zu überzeugen.
"Hitler ist tot, aber wir leben noch!", sagt der gewiefte Überlebenskünstler David Bermann zu seinen ebenfalls jüdischen Kompagnons, mit denen er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ein Geschäft mit edler Wäsche aufzieht. In der Dramödie "Es war einmal in Deutschland" von "Irina Palm"-Regisseur Sam Gabarski blitzt in den besten Passagen ein so schwarzer Humor auf, wie man ihn in deutschen Filmen über die düstere Nazi-Vergangenheit selten zu sehen bekommt. Die ungewöhnliche Tragikomödie beruht auf den Romanen "Die Teilacher" und "Machloikes" von Michel Bergmann, der sich dabei von seiner eigenen Familiengeschichte inspirieren ließ und nun auch am Drehbuch
beteiligt war. David Bermann (Moritz Bleibtreu) gehört zu den "Glücklichen", die das KZ
Sachsenhausen überlebt haben. Jetzt gilt es, schnell auf den Schwarzmärkten Geld zu verdienen, um möglichst bald nach Amerika auswandern und dem grauenhaften Deutschland den Rücken kehren zu können. Da Bermann von den US-Besatzern eine Geschäftsgenehmigung verweigert wird, rekrutiert er aus dem Auffanglager in Frankfurt fünf weitere Verkäufer - und Sam Gabarski ein Ensemble, das ebenso überzeugend wie Bleibtreu aufspielt: Fajnbrot (Tim Seyfi), Fränkel (Anatole Taubman), Szoros (Pál Mácsai), Verständig (Hans Löw) und Krautberg (Václav Jakoubek). Seine neuen Kumpel besorgen ihm nicht nur eine Verkaufslizenz, sondern ziehen auch mit ihm von Tür zu Tür, um mit windigen Tricks edle Wäsche an deutsche Mitläufer und Kriegswitwen zu verkaufen. In diesen Heist-Movie-artigen Passagen kommen Freunde des tiefschwarzen Humors voll auf ihre Kosten. Seine Geschäfte in dem glaubwürdig in Szene gesetzten Nachkriegsdeutschland
laufen gut an, doch schon bald muss Bermann immer wieder heimlich für ein paar Stunden verschwinden: CIA-Agentin Sarah Simon (Antje Traue) verhört den Geschäftsmann hartnäckig - sie hält ihn für einen Kollaborateur. Wie der Zuschauer in Rückblenden erfährt, gehörte Bermann nämlich im Konzentrationslager zu den privilegierten Häftlingen. Die SS-Männer
hatten sein Talent zum Witzerzählen erkannt und ihn dazu auserkoren, sie gelegentlich zu unterhalten. Sie zwangen ihn sogar zu einem makaberen Witzeduell mit einem Mithäftling: dem Sieger winkte Schokolade, der Verlierer musste "duschen" gehen. In diesem Moment funktioniert das Prinzip des recht mutigen Films, zwischen Tragödie und Komödie
hin und her zu switchen. Gegen Ende, wenn plötzlich einzelne Schicksale der ansonsten vernachlässigten Kompagnons beleuchtet werden, eher weniger. Immer wieder kümmert sich Bermann in der Dramödie um einen dreibeinigen Hund; eine etwas aufdringliche Metapher für die schweren Traumata, die er und seine jüdischen Mitstreiter erlitten haben. Doch Sam Gabarskis ungewöhnliche Dramödie, die mit schwarzem jüdischen Humor das Leben dieser traumatisierten Volksgruppe im Nachkriegsdeutschland beleuchtet, weiß eben trotzdem über weite Strecken zu packen.
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