Diva ohne Waffe: Angelina Jolie als "Maria" Callas

Was sieht man, wenn man hinter die glamouröse Oberfläche eines Menschen schaut? Der chilenische Filmemacher Pablo Larraín hat sich dieser Frage bei Lady Di in seinem Film "Spencer" 2021 angenommen und eine fragile, geschwächte Frau gezeigt, die sich in einem rettenden Kraftakt aus der Umklammerung der Royal Family befreit.
Fünf Jahre zuvor hatte er bereits Jackie Kennedy gezeigt, wie sie innerhalb weniger Tage nach der Ermordung ihres Mannes die Zügel der öffentlichen Wahrnehmung und ihrer eigenen Rolle in die Hand nimmt.
Harte Sprünge und Rückblenden
Jetzt blickt er auf die Jahrhundertstimme Maria Callas - gespielt von Angelina Jolie. Und wieder ist die Handlung auf wenige Tage verengt: die sieben letzten der Primadonna assoluta vor ihrem frühen Tod im September 1977 in Paris.

Filmisch ist dieser Ausgangspunkt schwierig, weil das Erzählen in Rückblenden oft die Suggestivkraft und den Rhythmus des Erzählens unterbricht. Und so hat sich Larraín etwas einfallen lassen, was ihn aller harten Sprünge und Wechsel enthebt.
Maria Callas hat ihre einzige Waffe und ihr Schutzschild - ihre große, nicht schöne, aber erschütternd ausdrucksstarke Stimme - längst verloren, wie auch ihre große Liebe, den Großreeder Aristoteles Onassis. Sie ist, wie viele Stars, tablettensüchtig. Und so sind diese letzten Tage bei aller Realität gleichzeitig traumwandlerisch.
Die Selbstverbrennung einer Frau
Da formen sich zum Beispiel die Passanten vor der Pariser Oper plötzlich zu einem Chor für sie, die vorbeikommt, wird ihr der Boulevard zu Bühne. Da übergießt sie in der Wohnung ihre ikonischen Kostüme mit Benzin und zündet sie an: psychologisch eine Art Selbstverbrennung einer Frau, die nur ihre Rollen hatte, um der Welt zu zeigen, wer sie war.

"Ich kann keine Wunder mehr erzeugen", erzählt sie bestimmt und realistisch in einem letzten Interview, das aber bereits Fantasie sein könnte.
Die Filmkunst von "Maria" zeigt sich darin, dass man in diesem ruhigen Changieren zwischen Traum, Schwarz-weiß-Erinnerungen und herbstlich eingefärbter Wirklichkeit mitwandelt. Sie ging noch aus, nutzte die mondäne Stadt als Kulisse, setzte sich allein in Cafés, "um angebetet zu werden", wie sie in einer feinen Balance aus Eitelkeit und Selbsterkenntnis sagt. Aber der Film geht von einer Art unbewussten Selbstmords aus, der die Callas mit nur 53 Jahren an Herzversagen sterben ließ. Sie hatte realisiert, dass nichts mehr kommen würde.
Es ging ihr immer um alles
Ein Problem eines Spielfilms über eine der meistfotografierten Frauen des 20. Jahrhunderts ist die Frage der Ähnlichkeit. Jolie wollte unbedingt die Callas spielen, vielleicht weil sie eine Seelenverwandtschaft spürt in dieser Mischung aus Ruhm, dem Zwang zur Fassade, Stolz und dem Kampf um Image und Achtung.
Aber natürlich stutzt man, wenn man zu Beginn in einer Schwarz-weiß-Sequenz Angelina Jolie lippensynchron zur Stimme des Jahrhunderts singen sieht und hört. Es ist ein Singen, bei dem es immer um alles ging - nicht nur um Schönheit.

Hierhinein auch etwas von Jolies Stimme einzumischen, ist gewagt. Aber - und das ist die Kunst des Duos Larraín und Jolie - es gelingt, diese Irritationen von einem abfallen zu lassen, sodass man erst nach zwei Stunden wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt wird, wenn im Abspann Originalfilmaufnahmen der Callas gezeigt werden.
Und was blieb, nachdem diese Edelsteinstimme brüchig geworden war, auf der die gesamte Identität der Callas aufgebaut war? Nur Millionen verkaufter Platten und Ruhm. So war am Ende hinter der Fassade dieser Ikone tragische Leere.
Kinos: ABC, Astor im Arri, Astor im Bayerischen Hof, City Atelier (auch OmU), Kino Solln, Leopold (OmU), Monopol (OmU), Rio (OmU), Theatiner (OmU),
Regie: Pablo Larraín (I, D, Chile, 124 Min.)