„Die Wildente“: Ewig junges Werk

Tolles Filmdebüt: Simon Stone verlegt Ibsens „Die Wildente“ von 1884 in die Gegenwart.
von  Margret Köhler
Ewen Leslie, Odessa Young und Sam Neill.
Ewen Leslie, Odessa Young und Sam Neill. © Mark Rogers/Arsenal Film

„Nora“, „Hedda Gabler“, „Peer Gynt“: Henrik Ibsen, Norwegens berühmtester Dramatiker, lieferte mit seinem Werk die Vorlage für zahlreiche Verfilmungen. Auch „Die Wildente“ wurde schon einige Male für das Kino adaptiert, in Deutschland bereits 1926 als Stummfilm und 1976 von Hans W. Geißendörfer mit Bruno Ganz. Jetzt hat sich der 32-jährige Australier Simon Stone, der an den Kammerspielen Viscontis „Rocco und seine Brüder“ für die Bühne adaptierte, an das Drama aus dem Jahr 1884 gewagt.

Er verpasst der düsteren Geschichte um Familiengeheimnisse durch die Verortung in der Gegenwart frischen Wind. Nach langer Abwesenheit kommt Christian zur Hochzeit seines Vaters in die Heimatstadt, wo durch die Schließung der väterlichen Fabrik hohe Arbeitslosigkeit droht. Zwischen den beiden Männern herrscht unterschwellig Spannung, der Sohn macht den Alten für den Selbstmord der Mutter verantwortlich.

Abweichungen vom Original

Fast beneidet er seinen Freund Oliver aus Jugendtagen, der mit Frau, Vater und Tochter Hedvig ein glückliches, wenn auch bescheidenes Leben führt. Bis Wahrheitsfanatiker Christian Verborgenes aus der Vergangenheit enthüllt, das nicht nur die Freundschaft zerstört, sondern auch die Grundfesten des harmonischen Familienlebens. Anders als im Original richtet sich in Stones Spielfilmdebüt der Fokus auf die Tochter, von der Entdeckung der ersten Liebe bis hin zum Zusammenbruch ihrer heilen Welt. Die tragische Entlarvung der Glückslüge und die Demaskierung einer verlogenen Gesellschaft passiert in nur einer schicksalshaften Woche, an deren Ende sich die Grenzen der Schuld unter der Wucht der Wahrheit verwischen.

Neben der dichten Atmosphäre ist es das hochkarätige Schauspiel-Ensemble, das einem fast den Atem nimmt: allen voran Oscar-Preisträger Geoffrey Rush („Shine“) als seine soziale Stellung ausnützender Patriarch, Paul Schneider als sein unberechenbarer Sohn, Ewen Leslie als konfliktscheuer Traumtänzer, der plötzlich vor den Scherben seiner Existenz steht. Eine absolute Entdeckung ist aber die junge Odessa Young als Teenager, dessen Lebensmut an der Realität zerschellt.


R: Simon Stone (Australien 2015, 96 Min.)

Kinos: Neues Maxim, Studio Isabella

 

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