Die Welt, wie sie sein könnte

Marvels Meisterwerk: "Black Panther" ist ein Superheldenfilm, der wie kein Superheldenfilm zuvor in die Zeit passt - und dabei unfassbar unterhaltsam ist.
von  Andreas Fischer
T'Challa besteigt nach dem Tod seines Vaters Wakandas Thron und wird zu Black Panther (Chadwick Boseman).
T'Challa besteigt nach dem Tod seines Vaters Wakandas Thron und wird zu Black Panther (Chadwick Boseman). © 2018 Disney / Marvel
Das muss man sich mal vorstellen: In einem Kinofilm aus Hollywood, einem megateuren Blockbuster, einem Superheldenfilm aus der Marvel-Schmiede, kommen in mehr als zwei hochgradig spannenden, spektakulären und unterhaltsamen Stunden nur zwei (in Ziffern: 2) weiße Schauspieler
vor. Und die sind auch noch unfassbar klischeebeladen. Ja, "Black Panther" macht keine halben Sachen, der Film ist vieles, was man sich von ihm versprochen hatte. Und noch ein bisschen mehr. Als Superheld mag Black Panther (Chadwick Boseman) nicht der aufregendste Typ sein, da können seine "Avengers"-Kollegen vieles gleich gut, manches besser. Aber der Mensch hinter der Raubtiermaske ist eine der spannendsten Figuren in Marvels Cinematic Universe. T'Challa heißt der Mann eigentlich und soll nach dem Tod seines Vaters in "The First Avenger: Civil War" (2016) - den Königsthron in Wakanda besteigen, einem hochmodernen Staat in Afrika, der auf der Landkarte allerdings nicht existiert. Wakanda ist ein Land unter einer Tarnkappe: Es konnte sich dank des Supermetalls Vibranium ungestört vom Rest der Welt entwickeln. Der Kelch der Kolonialisierung ging an Wakanda vorbei, das Land verfügt über hochgradig moderne Technologien, respektiert aber seine Traditionen. Aber auch im Paradies ist nicht alles paradiesisch. T'Challa muss ein Land zusammenhalten, in dem immer häufiger Stammes-Fehden aufglimmen und das von außen bedroht wird. Wobei die beiden Konflikte zusammenhängen: Der weiße Waffenhändler Ulysses Klaue (Andy Serkis) und der in Wakanda geborene Killmonger (Michael B. Jordan) wollen das Vibranium stehlen. Der eine, um sich zu bereichern, der andere um der schwarzen Weltbevölkerung eine mächtige Waffe
im Kampf gegen die Unterdrückung an die Hand zu geben. Man kann die vielen faszinierenden Konflikte kaum alle aufzählen, die "Black Panther" zum bisher relevantesten Marvel-Film machen. Das intelligente Drehbuch von Joe Robert Cole und Regisseur Ryan Coogler diskutiert alles, was in Amerika (und anderswo) aktuell ist. Es geht um die Lage der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA und unterdrückter Minderheiten
auf der ganzen Welt. Killmonger etwa ist kein herkömmlicher Bösewicht, sondern ein komplexer Schurke, dessen brutales Verlangen nach einer neuen Weltordnung auf real erlebtem Rassismus fußt. Dieser Rassismus erreicht auch Wakanda, nämlich als Frage: Kann ein Land es sich leisten, der Welt den Rücken zuzukehren? Darf sich ein Superheld wie Black Panther ausschließlich um das Wohl seiner Untertanen
kümmern, oder hat er mit seinen (technischen) Möglichkeiten eine Verpflichtung anderen Menschen gegenüber? An diesem Konflikt zerbrechen Black Panther und Wakanda fast. Bemerkenswert an "Black Panther" ist die lässige Beiläufigkeit, mit der Regisseur Ryan Coogler den wichtigen Themen den gebührenden Platz einräumt, ohne sie überzustrapazieren. Mit viel visueller Fantasie und gestalterischem Witz macht er den Film trotzdem zu einem in erster Linie unterhaltsamen Blockbuster. Einem Superheldenabenteuer. Aber eben einem, das sich aus der Masse abhebt, wie kein zweiter Film aus dem MCU. Was sich schon in den Figuren manifestiert: Er dreht einfach die herkömmliche Rollenverteilung um. Die Stereotypen sind weiß, neben dem bitterbösen Waffenhändler Ulysses Klaue ist das der unbedarfte CIA-Agent
Everett K. Ross (Martin Freeman), ein sympathischer Sidekick ohne große Bedeutung. Die wichtigen Figuren aber sind Schwarze, die starken Frauen. Etwa T'Challas Leibwächterin Okoye (Danai Gurira), die Chefin der Armee. Seine gewitzte Schwester Shuri (Letitia Wright) leitet das Innovationslabor Wakandas. Seine Ex-Geliebte Nakia (Lupita Nyong'o) ist die beste Agentin eines Landes, das sich der Welt nicht mehr verschließen will. Es sind vor allem die Frauen, die "Black Panther" ihren Stempel aufdrücken und ihn zu einer Utopie machen, zu einem Film, der zeigt, was in der Welt eigentlich alles möglich ist.
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