"Die Schöne und das Biest": Der diskrete Charme der Aristokratie
Nicht viel Neues, aber wunderbar: "Die Schöne und das Biest" jetzt als Realverfilmung mit Emma Watson.
Wenn Märchen heute noch leben wollen, müssen sie zeitgemäß weitererzählt werden, sonst sind sie gestorben. Was macht man also mit der französischen Märchenvorlage von "der Schönen und dem Biest", die aus dem 16. Jahrhundert stammt und im Spätbarock richtig populär wurde? 1991 fand Disney in seiner Zeichentrickadaption eine Lösung: die ganze Traumwelt von der Schönheit vom Lande, die Prinzessin wird, auskosten, aber ihr eine größere Emanzipation zugestehen. Hinter dieser Aufwertung der Schönheit vom Lande konnte man dann auch besser die eigentlich perverse Geschichte verstecken, dass sich das Mädchen in ihren Kidnapper verliebt.
Jetzt hat Disney eine Realverfilmung gewagt und dabei wenig riskiert, was man gut oder schlecht finden kann. Denn letztlich ist die neue "Schöne und das Biest" eine sehr kunstvolle Abfilmung von Regisseur Bill Condon und ein Nachsingen des Animationsklassikers von vor 25 Jahren, die natürlich auch dadurch nahelag, als man heute ohne Probleme Tassen fliegen und reden lassen oder Uhren und Kerzenleuchtern eine Mimik verpassen kann – also all die vom Fluch zu Gegenständen gebannten ehemaligen Schlossbediensteten zum Leben erwecken kann. Und computergestützt lässt sich ein Schloss entwerfen, auf das Ludwig II. mit neidischer Wut geblickt hätte. So durchdringt sich hier in totaler Opulenz eine überbordende neoromantische Mittelalter-Burg mit barocker Festsaal-Pracht und wilden Arabesken in einer Mischung aus Rokoko und Gaudí-wahnsinnigem Jugendstil: ein traumhafter eklektizistischer Exzess!
Was aber ist dann wirklich neu?
Und damit die schöne Belle nicht nur romantisch glotzt, hat man sie mit Emma Watson besetzt, die schon als supergescheite, tatkräftige Jungzauberin in "Harry Potter" Vorbildfunktion für eine ganze Mädchengeneration hatte. Und kräftiger und besser singen als Emma Stone im Oscar-Musical "La La Land" kann sie. Vielleicht wäre es ein guter Gag gewesen, das Biest, das sich ganz am Ende wieder zum schönen Prinz zurückverwandelt, mit Daniel Radcliffe zu besetzen statt mit dem relativ blassen Dan Stevens. Aber unter der Biest-Maske kann ja letztlich eh stecken wer will. Wunderbar besetzt ist dagegen der eitle Schürzenjäger Gaston mit Luke Evans. Eigentlich hätte er in seiner mutigen Coolness die Belle verdient.
Alle drei pflegen sie den blasierten oxbridge-englischen Akzent, der in einer US-Produktion immer für europäische Kultiviertheit steht, auch wenn es hier geschichtlich um Frankreich geht. In diesem schön prononcierten Fall bietet es sich also an, die Originalversion anzusehen. Mitreißend ist auch, wie es der neuen "Biest"-Realverfilmung gelungen ist, den lässigen Zeichentrickwirbel nachzumachen durch dynamische Fahrten, Luftsprünge und Ballhaus-Pirouetten der Kamera.
Was aber ist dann wirklich neu? Nicht viel: Auf den Pracht-Bällen ist das Publikum gemischtrassiger als früher, die Opernsängerin ist schön schwarz. Und Gastons Sancho-Panza-artiger Gefährte Lefou (Josh Gad) himmelt seinen Herrn an und tanzt in den Schlusssekunden des Films auf dem Abschlussball mit einem Mann. Skandal im homophoben Russland: Der Film ist dort deshalb erst ab 16 Jahren zugelassen! Unfassbar lächerlich! Denn darauf kann man bei Disney letztlich bauen: klassische Family-Values werden so schnell nicht aus den Angeln gehoben – natürlich auch hier nicht in der klasisch-konservativen Geschichte vom Landmädchen, das zur Prinzessin wird!
Kino: Cinema OV, Cinemaxx, Mathäser, Museum-Lichtspiele, Münchner Freiheit, Rio Filmpalast, Royal-Filmpalast
R: Bill Condon (USA, 130 Min)
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