Die Oscar-Formel
Ist es Schicksal, Glück oder Berechnung, was einen zum Oscar-Star macht? In der Nacht vom Sonntag auf Montag werden in einer stundenlangen Dauerzeremonie weit über 20 Kategorien bedacht.
Es soll sogar bei uns Menschen geben, die sich in Schale werfen, um dann spätnachts vor dem Fernseher zu sitzen und die Oscarnacht zu verfolgen. In der Nacht auf Montag überträgt Pro7 live ab 2 Uhr. Wichtig ist auch das Vorspiel: das Defilee der Stars auf dem Roten Teppich, mit den typischen Fragen („Wow, was tragen Sie denn?“). Die Komikerin und Schauspielerin Ellen DeGeneres moderiert die Verleihung.
DIE OSCARFORMEL
Überraschungen gibt es in jedem Jahr. Aber ein wenig berechenbar ist schon, wer bei den Oscars gewinnt. Heuer konzentriert sich der Kampf wieder wie so oft zwischen einem innovativen Blockbuster, zwei smarten Komödien („American Hustle“ und „Her“ und zwei hochkarätigen, politisch korrekten Dramen "12 Years a Slave“ und „Dallas Buyers Club“).
DIE KLASSISCHE VERTEILUNG
„Gravity“ setzt, wie einst „Avater“, Blockbuster-Maßstäbe und wird deshalb weltaller Wahrscheinlichkeit in den technischen Kategorien absahnen: Kamera, Schnitt, Tonschnitt, Bester Ton, Visuelle Effekte - „and the Oscar goes to: Gravity!“.
Für den besten Film ist der Überlebenskampf im All aber dann doch zu kommerziell. Aber der mexikanische Regisseur Alfonso Cuarón darf sich für seine jahrelange Bastel- und Strippenzieherei an der Schwerelosigkeit einen Oscar ausrechnen.
Die 70er-Jahre-Gaunerkomödie „American Hustle“ und die Mann-verliebt-sich-in-eine-Computerstimme-Farce „Her“ sind zwar für bester Film nominiert. Aber wann hat zum letzten Mal eine Komödie den Hauptpreis gewonnen? Zum Ausgleich könnte es, das wäre tpyisch, für „Her“ oder „American Hustle“ den Oscar fürs beste Original-Drehbuch geben.
ALLES POLITISCH KORREKT?
Die große Frage: Wählt die Academy die besten oder die politisch korrektesten Filme? Denn als Mitglied schreibt man gerne an der Oscar-Geschichte mit. Und da bietet sich Steve McQueen an, der als erster schwarzer Regisseur einen Oscar für „12 Years a Slave“ gewinnen könnte und damit der Haupt-Konkurrent von Alfonso Cuarón ist.
Insgesamt gelten die politisch korrekten Dramen weiterhin als Oscar-Favoriten, auch bei den Darstellern: Für McQueens Sklavendrama sind auch Hauptdarsteller (Chiwetel Ejiofor) sowie Nebendarstellerin Lupita Nyong’o preisverdächtig. Super-Chancen hat auch der Hauptdarsteller der Tragikomödie „Dallas Buyers Club“, der im deutschen Kino zwar schwach läuft.
Aber zwei Hollywoodfaktoren sprechen für Matthew McConaughey: Es ist ein politische korrekter Film (Kampf gegen Aids und die böse Pharmaindustrie), dabei noch frech, und: McConaughey hat sich 20 Kilo für die Rolle runtergehungert. Physische Höchstleistungen (oder Mut zum Hässlichen) werden in den oberflächenfixierten USA gerne honoriert.
WER DEN OSCAR EIGENTLICH VERDIENT HÄTTE
An der Oberfläche kratzt auch Cate Blanchett, die mit ihrer Leistung in „Blue Jasmine“ ganz hoch im Oscar-Kurs steht. Zudem war sie schon sechsmal oscar-nominiert, dreimal als Hauptdarstellerin und gewann einmal, aber „nur“ als Nebendarstellerin in „Aviator“. Jetzt hat sie den Hauptrollenpreis verdient. In „Blue Jasmine“ spielt sie rücksichtslos gegen sich selbst eine Ex-High-Society-Zicke, die arrogant ignorant ihren Niedergang leugnet und im Alkohol ertränkt.
Blanchetts einziges Problem ist die ekelhafte „Pädophilie“-Debatte um ihren Regisseur Woody Allen, der selbst für sein Drehbuch nominiert ist, aber grundsätzlich als Menschenscheuer die Oscarnacht nicht besucht.
Leonardo DiCaprio sollte als „Wolf of Wall Street“ gewinnen: Wenn Leo sein gewinnendes Haifischgrinsen aufsetzt, dann narzistisch mit gorillahafter Rockstar-Allüre das Broker-Büro rockt oder auf einem ekelhaft-elendigen Drogentrip zombiehaft grimassierend, gelähmt-zuckend und stammelnd am Boden robbt, dann ist das einfach die beste Leistung.
DAS VERFAHREN
Zur Zeit setzt sich die Academy of Motion Picture Arts and Sciences aus mehr als 6000 Mitgliedern zusammen. Die Oscar-Academy ist zu 94 Prozente weiß und 54 Prozent über 60 Jahre alt. Und die weiße ältere obere Mittelschicht neigt in Hollywood zur politischen Korrektheit, was „12 Years a Slave“ gute Chancen gibt. – und es ist ja die Ära des ersten schwarzen US-Präsidenten.