„Die Ökonomie der Liebe“: Eine erloschene Ehe

Was bleibt nach 15 Jahren Liebe? Das fragt das tolle Drama „Die Ökonomie der Liebe“.
Margret Köhler |
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Bäumen sich Marie (Berenice Bejo) und Boris (Cédric Kahn) noch mal auf gegen das Familien-Aus?
Camino Bäumen sich Marie (Berenice Bejo) und Boris (Cédric Kahn) noch mal auf gegen das Familien-Aus?

Kennenlernen, Händchenhalten, Küsse, Happy End. Das allseits bekannte Filmschema durchbricht dieses Drama über eine Beziehung im Auflösungszustand rigoros. Hier ist die Scheidung schon ausgemachte Sache, bevor die Geschichte überhaupt anfängt.

Marie (Bérénice Bejo) und Boris (Cédric Kahn) leben mit ihren neunjährigen Zwillingstöchtern nur noch unter einem Dach, weil er keine bezahlbare Wohnung findet und erst einmal auf der Couch im Wohnzimmer schläft. Beide hängen an dem fast verwunschenen Haus, sie hat Geld von ihren Eltern hineingesteckt, er akribische Arbeit. Keiner will dem anderen das Juwel überlassen. Fast alle Szenen spielen wie in einem Bühnenstück in wenigen Räumen, was für zusätzliche Intimität und Intensität sorgt.

Aggressionen erschweren den genau ausgetüftelten Alltag, in dem jeder sein Terrain behauptet. Kommt er früher nach Hause als geplant, wird sie sauer, er ärgert sich, wenn sie Freunde einlädt und über ihn herzieht. Ein Kompromiss ist nie in Sicht. Nach einer kurzen Reise von Marie herrscht plötzlich eine unerwartete Unbeschwertheit und Gelöstheit, Eltern und Kids tanzen zusammen, fühlen sich wieder wie eine richtige Familie. Aber auch die gemeinsam verbrachte Nacht ändert nichts an der Entscheidung zur Trennung.

Was bleibt von einer großen, nach 15 Jahren Ehe erloschenen Liebe? Das fragt der Belgier Joachim Lafosse kompromisslos und lässt am Ende die Hoffnung, dass das Paar vielleicht für seine Gefühle eine andere Form findet, eine Zärtlichkeit und Achtung, die bleiben. Der Streit ums Geld ist hier nur ein Symptom für Entfremdung und Wut, die Ursachen für die Konflikte liegen tiefer.

Beiden Partnern in ihrem Schmerz und ihrer Verzweiflung wird der Film gerecht, beide kriegen ihr Fett ab, vielleicht auch weil am Drehbuch nicht nur der Regisseur, sondern noch zwei Autorinnen beteiligt waren, um die weibliche Perspektive zu unterstreichen.

Gegen Ende zerfasert die Handlung etwas, was die dichte Atmosphäre schmälert. Eines macht dieses Spiegelbild einer modernen Ehe aber klar: Frauen, die auf eigenen Füßen stehen, können schneller Konsequenzen ziehen. Abhängigkeit heißt immer Ungleichgewicht.   


Regie: Joachim Lafosse (F/B, 101 Min.)

Kinos: Arena, Studio Isabella, Theatiner (OmU)

 

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