"Die Magnetischen" im Kino: Der Klang der Anziehungskraft
10. Mai 1981. François Mitterrand hat gerade die Präsidentschaftswahl gewonnen. Endlich ist was los im bretonischen Städtchen. Die Bürger feiern, vor allem die Jungen.
Nach Ende der 1970er-Jahre und ihrer Stagnation zeigt sich ein Stück Utopie am Horizont, ein Politikwechsel, neue Chancen für die junge Generation, ein Versprechen auf die Zukunft. Mittendrin in der euphorisierten Menge: der bescheidene Philippe (Thimotée Robart), der allerdings für den konservativen Valéry Giscard D´Estaing gestimmt hat, und sein älterer charismatischer Bruder Jerôme (Joseph Olivennes), No-Future-Freigeist und Frauenheld.
"Die Magnetischen": Zwei Brüder verlieben sich in die rätselhafte Marianne
Mit ein paar Freunden betreiben die beiden Brüder auf einem Dachboden einen Piratensender und geben sich ihrer Leidenschaft für Rockmusik und Punk hin. Es ist ein Rückzugsort, wo sie den Alltag mit ihrem strengen Vaters vergessen. Der "gute" jüngere und der ältere "schlechte" Sohn und der Patriarch: eine explosive Mischung.
Als die attraktive Friseuse Marianne (Marie Colomb) mit ihrer kleinen Tochter aus Paris hinzukommt, wird's kompliziert. Die Jungs verlieben sich beide in die Rätselhafte, die erst einmal den Avancen des stürmischen Jerôme erliegt. Und dann muss der Träumer Philippe auch noch zum Militärdienst nach West-Berlin.
Regisseur Vincent Maël Cardona entführt in seinem magisch-traurig-schönen Film in eine Ära des Um- und Aufbruchs. Er erzählt von der Kluft zwischen Stadt und Land, der vibrierenden Kunst- und Musikszene in Paris oder Berlin, vom Kontrast zwischen Wunsch und Wirklichkeit, ohne dabei in falscher Nostalgie zu schwelgen. Er bringt uns eine heute fremde Welt näher, in der man Kassetten überspielt, Experimente mit Alltagsgeräuschen wagt und unbekümmert Mixtapes herstellt.
"Die Magnetischen": Der Film ist eine Liebeserklärung an die Musik und an das Ungeschliffene
Das junge Leben verläuft als Gratwanderung zwischen Melancholie und pulsierender Energie sowie Kreativität, Abenteuerlust und Angst vor dem Scheitern.
Erst einmal genießt es der junge französische Rekrut, in Berlin beim Radiosender des britischen Militärs aufzulegen, als DJ "Mr. Frog", nachts erlebt er die Subkultur im Ostteil der Stadt. Wenn er in einem Anfall von Mut Marianne via Radio seine Liebe gesteht, sogar heimlich die Kaserne verlässt, um bei ihr zu sein, scheint er Selbstsicherheit gewonnen und innere Zwänge überwunden zu haben.
Der Film "Die Magnetischen" ist eine Liebeserklärung an die Musik und das Jungsein, das Unfertigsein, das Rohe und Ungeschliffene. Der Soundtrack der Achtziger mit Joy Division, Iggy Pop oder The Undertones, dem Metal-Sound in Berlin mit Die Krupps oder Malaria begleitet die Entwicklung dreier Menschen zwischen Anpassung und Rebellion, ihre Sehnsucht, ihr Versagen, ihre Hoffnung. Trotz lauter Töne ein leises Meisterwerk.
Kino: City (auch OmU) sowie Monopol, Theatiner (OmU), R: Vincent Cardona (F, 95 Min.)
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