Die Leinwand-Lotterie

Die Golden Globes sind der zweitwichtigste Filmpreis der Welt. Dieses Jahr jedoch geht es weniger darum, wer gewinnt oder wer leer ausgeht. Was Filmfreunde und Kinoexperten fasziniert, ist die gewaltige, gute Konkurrenz. Werden die Awards wieder spannend?
Laslo Seyda |
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Eingangsbereich des Beverly Hilton Hotels in Beverly Hills, Kalifornien. Hier findet am 10. Januar die 73. Verleihung der Golden Globes-Awards statt.
imago Eingangsbereich des Beverly Hilton Hotels in Beverly Hills, Kalifornien. Hier findet am 10. Januar die 73. Verleihung der Golden Globes-Awards statt.

Die Golden Globes sind der zweitwichtigste Filmpreis der Welt. Dieses Jahr jedoch geht es nicht darum, wer gewinnt oder wer leer ausgeht. Was Filmfreunde und Kinoexperten fasziniert, ist die gewaltige Konkurrenz, ohne Aussicht auf Favoriten. Werden die Awards wieder spannend?

München - Am 10. Januar werden die 73. Golden Globes verliehen. Sie gelten als Wegweiser für die Oscars, lese ich immer wieder. Wer hier abräumt, hat gute Chancen auf den Goldjungen, philosophieren sogenannte Hollywood-Experten. So weit, so langweilig.

Bitte nicht missverstehen: Ich liebe Filme. Aber ich hasse Awards. Denn, seien wir doch mal ehrlich: Echte Überraschungen gab es in den letzten Jahren selten. 2015 führte kein Weg an „Birdman“ und „Boyhood“ vorbei, im Jahr davor waren es „12 Years a Slave“ und „Gravity“. Die Liste an Nominierten, die sich bei den alljährlichen Preisverleihungen früh vom Feld der Mitbewerber absetzen, könnte man beliebig fortsetzen. Es ist wie beim Pferderennen: Experten und Buchhalter lagen fast immer richtig, wer der schnellste Gaul im Stall ist und wem beim Endspurt die Puste ausgeht.

Doch in dieser Saison ist die Kinobranche verwirrt: Favoriten nämlich gibt es nicht. Keiner hat die Nase vorn, keiner einen wirklich guten Lauf.

So sind zum Beispiel Rooney Mara und Cate Blanchett als beste Hauptdarstellerinnen nominiert – beide für das Liebesdrama „Carol“. Ihre schwedische Kollegin Alicia Vikander hat als Roboterfrau in „Ex Machina“ sogar zusätzlich eine reelle Chance auf die Beste Nebenrolle. Und während sich Christian Bale und Steve Carell um die Trophäe für die Wall-Street-Satire „The Big Short“ kabbeln, stehen Michael Fassbender („Steve Jobs“), Eddie Redmayne („The Danish Girl“) und Will Smith („Concussion“) für den Preis als Bester Hauptdarsteller Schlange. Bei dieser Auswahl könnte der ewige Nominierte Leonardo DiCaprio („The Revenant“) auch dieses Mal leer ausgehen. Da können seine Groupies noch so viele Online-Petitionen für mehr Gerechtigkeit in Hollywood starten. Nur einer kann gewinnen, der Beste der Besten. Hopp oder Top. Einen Mengenbonus gibt’s hier nicht.

 

Andere Jury als bei den Oscars - zum Glück

 

Zum Glück nämlich werden die glänzenden Erdkugeln nicht von alten weißen Männern verliehen, deren einzige Vorliebe Filme von gesellschaftlicher Bedeutung, historischen Ausmaßes oder das x-te Biopic sind. Anders als bei den Oscars, entscheiden bei den Golden Globes internationale Journalisten, ohne Schranken im Kopf, ohne zu viel Ernst, Kalkül und Politik. Solche, für die Kino immer Kunst ist, durchaus. Aber auch solche, in denen noch immer das Herz eines kleinen Kindes schlägt. Ein Kind, das die Magie zu schätzen weiß, das Spektakel und den Spaß.

Wie sonst hätte George Millers Action-Kracher „Mad Max: Fury Road“ hoch gehandelte Filme wie Quentin Tarantinos Western „The Hateful Eight“ und Steven Spielbergs „Bridge of Spies“ von der Kandidatenliste fegen können? Jetzt konkurriert ein waschechter Blockbuster um den Preis als Bestes Drama, Ridley Scotts schwarzhumoriges Survivaldrama „Der Marsianer“ hat sich in die Kategorie „Beste Komödie“ geschlichen und Silvester Stallone („Creed“) könnte uns als Bester Nebendarsteller noch einmal alle vom Hocker hauen.

In ihrer vermeintlichen Beliebigkeit erinnern die Golden Globes in diesem Jahr weniger an ein Pferderennen als an eine Tombola auf dem Jahrmarkt, eine Leinwand-Lotterie. Wer hat noch nicht? Wer will nochmal? Eine neue Runde, eine neue Wahnsinnsfahrt. Mit großem Tamtam und Tohuwabohu. Wenn diese Entwicklung anhält, könnte es das Beste sein, was Hollywood passiert. Dann nämlich wären auch die Awards wieder unberechenbar und überraschend. Unterhaltsam eben. Auch für mich.

 

Sylvester Stallone, Elyas M’Barek  und Arnold Schwarzenegger sind nur einige der Leinwandgrößen, die Laslo Seyda schon zum Interview getroffen hat. Der Filmexperte kommentiert die Highlights der Award-Saison 2016 für die Münchner Online-Videothek maxdome. Ausgewählte Filmmomente der Nominierten sind dort abrufbar.

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