Die Kunst der Programmierer
Wie macht man Powershopping ohne Geld? Man zahlt mit dem guten Namen! So sieht das jedenfalls einer der Programmer des Filmfest München, der mit dem Lockruf „Deutschlands größtes Sommerfestival“ doch viele Filme nach München locken konnte. So kam das Team um Festivalchefin Diana Iljine mit einer vollen Einkaufstüte vom wichtigsten Festival der Welt aus Cannes nach München zurück. Mit den Meistern von der Cote d’Azur ist jetzt vor allem die Reihe „CineMasters“ bestückt: Wer den doppelten Goldene-Palme-Gewinner „La Vie D’Adele – Blau ist die wärmste Farbe“ sehen will, muss sich sicher beeilen beim Kartenkauf. Und dass der Bärengewinner Asghar Farhadi („Nader und Simin“) seinen nächsten Film in Cannes gezeigt hat, ist zwar schade für die Berlinale, aber ein Glück fürs Filmfest München: "Le Passé – Die Vergangenheit“ ist im Münchner Programm.
Der Slogan des Programms „Starke Frauen, starke Filme“ ist zwar politisch korrekt, aber eher modischer Natur. Denn weder beim Ehrenpreis (CineMerit Award an Michael Caine) noch in den Werkschauen haben Frauen viel zu zeigen. Paolo Sorrentino („Il Divo“) bekommt eine Retrospektive (mit 43 Jahren!) und der chilenische Radikal-Außenseiter Alejandro Jodorowsky (84), dessen neuester Film „La Danza De La Realidad“ auch in Cannes gefeiert wurde. Der Eröffnungsfilm „Exit Marrakech“ allerdings stammt von der Münchner Oscar-Gewinnerin Caroline Link, hat aber ein Vater-Sohn-Verhältnis zum männlichen Thema (Ulrich Tukur, Samuel Schneider).
In der Reihe Neues Deutsches Kino ist der Oktoberfest-Attentatsfilm „Der blinde Fleck“ sicher einer der brisantesten: Denn hier wird die deutsche Gesellschaft anhand von hart recherchierten Fakten als lange auf dem rechten Auge blind gezeigt. Benno Fürmann spielt dabei den BR-Redakteur Ulrich Chaussy, der sich nicht mit der bequemen Einzeltäter-Theorie zufrieden gab, sondern sich unbeirrt, für verrückt erklärt, daran machte, den Wahnsinn um den 26. September 1980 mit 13 Toten und 210 Verletzten zu recherchieren. Mit im Cast dabei: Heiner Lauterbach und August Zirner.
Traditionell ist auf dem Filmfest München auch die Reihe Neues Deutsches Fernsehen, wo Hans Steinbichler seinen Heimat-Chiemsee-Krimi „Hattinger“ zeigen kann und Rainer Kaufmann „Uferlos!“. Ungewöhnlich für ein Filmfestival ist das Serien-Special, das Piloten und noch nicht im TV gezeigte Serienteile zeigt – wie von „Downtown Abbey“, „Mad Men“. Aber auf US-Filmfestivals ist das durchaus nicht unüblich und auf dem Filmfest München wurde schon 1990 David Lynchs TV-Hitserie „Twin Peaks“ gezeigt. Die Serien-Vorführungen sind sogar kostenlos (Spielort: Hochschule für Fernsehen und Film, Gabelsbergerstraße) – wie auch die Open Air-Filme um das Thema Venedig im Innenhof des Gasteig.
In ihrer zweiten „Spielzeit“ ist Diana Iljine als Festivalchefin ein niveauvolles, populäres Programm gelungen, dass aber auch viele Filme zeigt, die keinen Verleih finden werden und so nach der deutschen Erstaufführung am Filmfest vielleicht nie mehr zu sehen sein werden. Auch das sind die Chancen auf ungewöhnliche, große Filmerlebnisse.
Filmfest München: 28.6. bis 6. 7. Infos: ab heute ist das Filmfestprogramm online. www.filmfest-muenchen.de Online-Kartenvorverkauf: ab 17. Juni Programm-Magazin erscheint am 19. Juni Vorverkauf ab 20. Juni im Festivalzentrum im Gasteig Karten: 9 Euro Kinos: Gasteig, Arri, Rio, Filmmuseum, Kinos Münchner Freiheit, City Kinos, HFF