Die Kinokritik zum neuen Kinofilm "Der Hauptmann"- Robert Schwentke

"Der Hauptmann" ist eine schockierende Kriegsgeschichte, basierend auf realen Ereignissen.
Margret Köhler |
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Willi Herold (Max Hubacher) lebt seine Herrenmenschen-Fantasien auch auf dem Rücken deutscher Soldaten aus. Hier müssen sie buchstäblich seinen Karren für ihn aus dem Dreck ziehen.
Weltkino Willi Herold (Max Hubacher) lebt seine Herrenmenschen-Fantasien auch auf dem Rücken deutscher Soldaten aus. Hier müssen sie buchstäblich seinen Karren für ihn aus dem Dreck ziehen.

"Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch." So möchte man Gottfried Benns Aussage auf die Hauptfigur dieses verstörenden Antikriegsfilms münzen. Ein schockierendes Epos, das ins Mark trifft.
Zwei Wochen vor Kriegsende: Der 19-jährige Gefreite Willi Herold, möglicherweise ein Deserteur, schlägt sich im deutschen Niemandsland durch und entdeckt ein verlassenes Auto mit einer fast neuen und mit Kriegsauszeichnungen dekorierten Offiziersuniform. Er schlüpft hinein und fertig ist der leibhaftige Hauptmann, der schnell die Rolle des autoritären Befehlshabers übernimmt und bald eine marodierend durchs Land ziehende Truppe um sich versammelt, die "Kampfgruppe Herold".

Regisseur Robert Schwentke kehrt zurück

Der Militärpolizei tischt der falsche Soldat eine dubiose Story vom Sondereinsatz auf – mit Vollmacht vom Führer höchstpersönlich. Der Psychopath hebelt in einem Straflager die ohnehin lasche Justiz aus und zwingt Gefangene beim Ausheben der Grube "Oh du schöner Westerwald" zu singen, bevor sie erschossen und erschlagen werden. Eine Horde von Opportunisten, Feiglingen und Bürokraten feiert das Massaker mit Schnaps.
Der Stuttgarter Robert Schwentke kehrt nach fast 15 Jahren Hollywood und US-Produktionen wie "Flightplan" oder "R.E.D. – Älter, Härter, Besser" nach Deutschland zurück und präsentiert das grausame Geschehen aus Täterperspektive, zeigt, wie ein Mensch im Machtrausch jeglichen moralischen Kompass verliert. Bis auf "Fahrer" Milan Peschel gibt es keine Figur, mit der man sich identifizieren könnte.

Geschichte beruht auf wahren Ereignissen

Erschreckend, dass die Geschichte in großen Teilen auf wahren Ereignissen beruht, dieser 1946 von den Briten hingerichtete Kriegsverbrecher ist keine Erfindung. Max Hubacher gibt ihm ein bubihaftes Gesicht, hinter dem Sadismus und Tod lauern. Kaum auszuhalten ein "bunter Kabarett-Abend", der in Menschenverachtung endet. Die kontrastreichen und dokumentarisch wirkenden schwarz-weiß Bilder von Florian Ballhaus, Sohn von Kamera-Legende Michael Ballhaus, beweisen einen ausgeprägten Stilwillen, die Blutorgie in Farbe wäre eine noch größere Zumutung gewesen. Die Entscheidung ist aber auch eine ästhetische, um dem Film, der an die Grenze des Erträglichen geht, eine abstrakte Qualität zu verleihen.
Dass dem "Henker vom Emsland" bei seiner Verhaftung durch die Gestapo bescheinigt wurde, ein "zackiger Bursche" zu sein, gehört mit zum mörderischen System. 


Kino: Monopol, Mathäser, Münchner Freiheit, City
B&R: Robert Schwentke
(D,PL, F, 115 Min.)

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