Kritik

Die Kämpferin: Dok.Fest zeigt Doku über Alice Schwarzer

Das Dok.Fest zeigt einen neuen Film über Alice Schwarzer. Doch manch spannendes Thema bleibt in der Dokumentation außen vor.
von  Margret Köhler
Alice Schwarzer (vorne) in der "Emma"-Redaktion.
Alice Schwarzer (vorne) in der "Emma"-Redaktion. © Dok-Fest

Als sich Alice Schwarzer und Esther Vilar, Autorin des antifeministischen Buches "Der dressierte Mann" 1975 bei einem TV-Duell gegenseitig angiften, lautet am nächsten Tag eine Schlagzeile "Die Vilar gegen ,Blaustrumpf' Schwarzer". "Blacky" Fuchsberger nannte sie mal eine "Männer mordende Amazone".

Alice Schwarzer ist Häme gewohnt seitdem sie seit den 1970er Jahren die Neue Frauenbewegung prägte. 1971 initiierte sie im "Stern" eine Aktion gegen den § 218, der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellte, 374 Frauen, darunter Promis wie Romy Schneider oder Margarethe von Trotta, erklärten öffentlich "Wir haben abgetrieben", Beginn einer Zeitenwende in der Emanzipation.

Breit gefächertes Porträt über "Emma"-Gründerin Schwarzer

Im Januar diesen Jahres feierte "Emma", die "Zeitschrift von und für Frauen", seit dem ersten Heft 1977 eine Kampfansage an Sexismus und Patriarchat, ihr 45. Jubiläum. Sabine Derflinger zeichnet ein breit gefächertes Porträt der Gründerin und Chefredakteurin Schwarzer, die sich im Laufe der Jahre viele Feinde machte und sich furchtlos mit mächtigen Medienmännern wie Henri Nannen vom "Stern" oder Rudolf Augstein vom "Spiegel" anlegte, der man aber Respekt und Anerkennung für ihr unermüdliches Eintreten für die Rechte der Frau zollt, auch für das Recht, frei über ihren Körper zu verfügen. Ihr Ruf als streitbare Person machte die Finanzierung des Films in Deutschland allerdings nicht gerade leicht, obgleich es der österreichischen Regisseurin in erster Linie "um die Geschichte einer Frau und ein Stück Frauengeschichte" ging.

Viel erfährt man über ihren Werdegang, von der jungen Frau aus Wuppertal, die als 21-Jährige nach Paris ging, sich dem harten Kern der französischen MLF-Bewegung (Mouvement de libération des Femmes) anschloss, sich mit Simone de Beauvoir und Sartre austauschte und in Deutschland den manchmal militanten Feminismus "salonfähig" machte, nicht zuletzt durch ihre Schriften beginnend mit dem Buch "Der kleine Unterschied" bis hin zu Biografien über Romy Schneider oder Marion Dönhoff. Die Kombination von Archivmaterial und aktuellen Redaktionssitzungen, zahlreichen Gesprächen von der Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich bis hin zur im Iran geborenen Schauspielerin Jasmin Tabatabai, der Blick auf gesellschaftliche Umbrüche, das fügt sich zu einem bunten und informativen Mosaik zusammen.

Eine spannende Doku, die aber Themen ausklammert

Seit Jahren kämpft Schwarzer gegen das Kopftuch als Symbol der Unterdrückung, gegen politischen Islam und Zwangsverschleierung, was ihr den Vorwurf der Islamophobie einbrachte. In der Berichterstattung in "Emma" über sexualisierter Gewalt in der Silvesternacht 2015 in Köln glaubten manche, rechtspopulistische Tendenzen zu entdecken. Schade, dass das Thema "Transsexualität" außen vor bleibt, hält die Feministin, das Geschlecht zu ändern für den falschen Weg, befürchtet gerade bei jungen Mädchen eine "Mode" und kriegt dafür jede Menge Hasskommentare.

Manchmal muss man sich konzentrieren, um die Fülle der Informationen über die Jahrzehnte einzuordnen, aber es ist spannend und auch unterhaltend, der umstrittenen Figur zu folgen. Zu bewundern ist ihre Kompromisslosigkeit und ihre Lust, sich immer noch einzumischen.


Sa 20 Uhr und Mi, 11.5. 18 Uhr Rio 1, So, 8.5. 11 Uhr HFF-Audimax, Mo, 9.5. 9.30 Einstein 28,

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