Die Filmkritik zum Kinofilm "Sing". Ein neuer Animationsfilm von Universal
Zwar flaut die TV-Welle der Castingshows gerade etwas ab, aber in diese Rampenlichtsituation lassen sich viele Wünsche und Botschaften bündeln, die sich auch fürs Kino eignen: Entdecke deine unausgelebten Talente, gib deine Träume nicht auf – und natürlich: Du kannst es schaffen!
„Sing“ erzählt die Geschichte eines wenig geschäftstüchtigen, aber sympathisch unverdrossenen Impresarios, der sein bankrottes, wunderbar nostalgisches Theater mit einer Talentshow retten will. Das erinnert an die Muppetshow, und Theaterbesitzer Buster Moon, ein Koalabär, lässt sich auch zu Beginn der Show vom Bühnenhimmel runterkurbeln.
Von Pop-Ohrwürmern und Evergreens
Da die Bewerber allesamt große Hits covern, sind Dutzende Pop-Ohrwürmer und Evergreens eingebaut: von Elton John, Leonard Cohen oder Stevie Wonder. So kann auch musikalisch nichts schief gehen. Und eine alte Operndiva (gesprochen von Iris Berben), die als Sponsorin angezapft werden soll, steuert sogar Puccinis „O mio babbino caro“ bei.
Gleich in einer unfassbar rasanten und imposanten Eingangssequenz wird die Musik gefeiert, weil sie überall ist: unter der Dusche, als Straßenmusik, im Radio und als Pfeifen im Hochhauswalde.
Das amerikanisch-französische Regieteam Garth Jennings und Christophe Lourdelet hat wunderbare, liebenswürdige Charaktere geschaffen: jugendliche Figuren wie eine Elefanten-Teenagerin mit geringem Selbstvertrauen, aber einer übersolidarischen Familie, einen coolen heranwachsenden Gorilla, der sich vom Gangster-Vater emanzipieren muss, einen netten jungen, aber wohlstandsverwahrlosten Afro-Schafsbock, der nicht viel mit seinem Leben anfangen kann, und ein punkiges Stachelschwein-Mädchen mit Singer-Songwriter-Ambitionen.
Viele Kids werden sich hier identifizieren können. Auch auf der Erwachsenenebene gibt es gute Typen: eine Schweine-Mutter, die den Haushalt mit ihren 25 rührenden Ferkelkindern schmeißt und vom überarbeiteten Mann wenig gewürdigt wird, einen elegant-durchtriebenen Hochstapler-Mäuserich, ein Sekretärinnen-Faktotum in Echsenform (mit Zeug zum Publikumsliebling und grandios gesprochen von Katharina Thalbach) und eben den engagierten Theaterfreak-Koala Buster Moon.
Keine Entwicklung und psychologisch statisch - alles bleibt Klischee
Aber es gibt einen Haken: Keine dieser grandiosen Figuren macht eine Entwicklung durch, alles bleibt psychologisch statisch, worüber auch das hohe Erzähltempo nicht hinwegtäuschen kann. Auch wird die zweifelhafte Castingwelt nie ironisch gebrochen, alles bleibt Klischee bis hin zu den grimmigen Bären, die russische Mafiosi sind.
Im englischen Original wurde als Synchronstimmen eine Superstar-Riege aufgeboten mit Matthew McConaughey, John C. Reilly, Taron Egerton, Reese Witherspoon und Scarlett Johansson, die alle auch singen müssen. Auch die deutsche Synchronisation ist wunderbar gelungen, nicht nur mit Berben und Thalbach, sondern auch mit Olli Schulz oder Alexandra Maria Lara. Und so hätte „Sing“ mit ein paar Widerhaken, Entwicklungen und einer Meta-Ebene ein wirklich großer Film werden können. Der vergleichbare „Zoomania“ hat das vor kurzem genial vorgemacht.
Kino: Cadillac & Veranda, Cinema, CinemaxX, Leopold, Mathäser, Münchner Freiheit, Museum-Lichtspiele, Neues Rex, Royal, Kino Solln
Regie: Garth Jennings / Christophe Lourdelet (USA/F 2016, 108 Min.)