"Die brillante Mademoiselle Neila": Wandel durch Annäherung

Die französische Cultureclash-Komödie "Die brillante Mademoiselle Neïla" mit Daniel Auteuil. Die AZ-Filmkritik.
Neïla hat es geschafft. Trotz Migrationshintergrund und unterprivilegierter Vorstadtkindheit hat sie eine Jura-Studienplatz an einer renommierten Pariser Uni bekommen. Aber schon der erste Tag an der Uni wird zu Desaster. Als sie zu spät zur Vorlesung kommt, unterbricht Professor Mazard (Daniel Auteuil) seinen Vortrag und macht die Erstsemestlerin zur Schnecke. Er fragt nach ihrem Namen und lässt vor raunender Studentenschar einige spitze, rassistische Bemerkungen fallen. Neïla setzt sich zur Wehr, hat jedoch der geschliffenen Rhetorik des Juristen wenig entgegen zu setzen.
"Keine Angst, der Bleistift ist halal!", provoziert der Professor
Der Vorfall bleibt nicht ohne folgen. Mazards Ausfälle landen auf Youtube und der Dozent im Zimmer des Universitätsleiters. Der Ruf des Instituts sei gefährdet und ein Untersuchungsausschuss unvermeidlich. Um besser dazustehen, solle Mazard die Studentin Neïla auf den Rhetorik-Wettbewerb vorbereiten. Wenn eine Studentin mit Migrationshintergrund die Uni würdig vertrete, sei sein Ansehen und das der Institution wieder reingewaschen. Schon beim ersten Treffen liegen sich die beiden wieder in den Haaren. Zur Stärkung der Artikulation soll sie einen Stift in den Mund nehmen. "Machen Sie schon" sagt Mazard "der ist auch halal" – und noch bevor Neïla protestieren kann, fügt er hinzu: "Das war eine Provokation". Mazard mag ein Chauvinist sein, aber er ist vor allem ein intellektueller Kopf, für den die Provokation zur zweiten Haut geworden ist und der auf die politisch korrekten Regeln pfeift.
Daniel Auteuil spielt diesen tiefenfrustierten Akademiker mit erstaunlicher Konsequenz als Unsympathen, der allerdings durch seine fachliche Brillanz zunehmend an Strahlkraft gewinnt. In der Rhetorik gehe es nicht um die Wahrheit, sondern darum Recht zu behalten, doziert er und lehrt seine Schülerin die 38 Kunstgriffe von Schopenhauers Technik des dialektischen Diskutierens. Neïla erkennt schon bald, dass der Umgang mit den Werkzeugen und der Macht der Sprache nicht nur in Rhetorik-Wettbewerben Türen öffnet. Das Erlernte hilft ihr Vorurteile auszuhebeln oder dem schüchternen Freund aus Kindertagen zu einem ersten Kuss hin zu manipulieren. In seiner Grunddramaturgie, die zwei scheinbar unverträgliche Charaktere aufeinander loslässt, um sie in gegenseitigem Lernprozessen miteinander zu versöhnen, ist Yvan Attals "Die brillante Mademoiselle Neïla" vielleicht ein wenig vorhersehbar geraten. Aber in der Ausführung seines Konzepts weiß der Film durchaus zu überzeugen.
Anders als der Titel vermuten lässt, gehört "Die brillante Mademoiselle Neïla" nicht ins Fach der seichten, französischen Export-Komödien, sondern zeigt (auch durchaus humorvoll), dass der Abbau von gegenseitigen Vorurteilen echte Schwerstarbeit ist. Genauso wie Mazard gezwungen ist, seine eigenen Ressentiments gegen vermeintlich kulturlose Vorstadtjugendliche zu hinterfragen, muss Neïla sich durch die Verteidigungswälle akademischen Zynismus’ schlagen. Hier geht es nicht unbedingt darum, aus den Beteiligten bessere Menschen zu machen, sondern um den Prozess des Kennenlernens als Voraussetzung für gegenseitigen Respekt. Dass dabei die Sprache als Mittel der Verständigung, aber auch des Kampfes verstanden wird, gibt dieser eigensinnigen Cultur-Clash-Komödie die notwendige Tiefe.
Kino: ABC, Atelier und Theatiner (OmU) R: Yvan Attals (F 97 Min.)
AZ-Gewinnspiel
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