Die AZ-Kritik zum neuen Kinofilm "Die Überglücklichen"

In „Die Überglücklichen“ brechen zwei Frauenn aus der Psychiatrie aus.
Margret Köhler |
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Die zwei Frauen ergänzen sich und geben einander Halt: Micaela Ramazzotti (rechts) und Valeria Bruni Tedeschi.
Neue Visionen Die zwei Frauen ergänzen sich und geben einander Halt: Micaela Ramazzotti (rechts) und Valeria Bruni Tedeschi.

Unterschiedlicher könnten Sonne und Mond nicht sein. Die eine übersprudelnd laut, die andere depressiv und innerlich gebrochen. Gräfin Maria Beatrice Morandini Valdirana kennt sich in der High Society aus und hält es mit der Wahrheit nicht so genau, Donatella dagegen ist in sich gekehrt und kann es nicht verkraften, dass nach einem Selbstmordversuch ihr Sohn von einer fremden Familie adoptiert wurde. Das verbindet die beiden: Verdrängung von Gefühlen, Verkriechen vor der Realität. Bei passender Gelegenheit büxen die Patientinnen aus der Villa Biondi aus, einer psychiatrischen Luxus-Klinik. Auf der chaotischen Reise durch die sommerlich-sanfte Toskana freunden sie sich an und treffen auf ein Italien sozialer Gegensätze.

Regisseur Paolo Virzi versteht seinen Film auch als Metapher über eine aus dem Ruder gelaufene Zeit und ein verrücktes Land beim Tanz auf den Vulkan. Er ist ein genau beobachtender, sensibler „Frauenregisseur“ wie Claude Chabrol. Seine sich gegensätzlich wunderbar ergänzenden Heldinnen spielen mit Dialogwitz und Herz richtig auf, wobei Valeria Bruni Tedeschi als adeliges Energiebündel mit Sonnenschirm in der Hand quasselnd die Führungsrolle übernimmt und Micaela Ramazzotti, vom Schicksal durchgerüttelt, erst einmal still hinterher trottet. Durch die Augen der Flüchtenden erlebt man den Irrwitz der italienischen Gegenwart in dieser trotz düsterer Momente märchenhaften Tragikomödie, in der die Damen es krachen lassen, sich Psychopharmaka besorgen, schick speisen und cool die Zeche prellen, mit einem geklauten Auto losdüsen und gegen Stigmatisierung kämpfen.

Zwischen Höhenflügen und Abstürzen

Zwischen manischen Glücksschüben und harten Enttäuschungen, Höhenflug und Absturz, feiern sie das Anderssein. Doch gerade das wirkt in vielen Situationen „normaler“ als das als „normal“ akzeptierte Verhalten. Trotz aller Kritik an gesellschaftlicher Ausgrenzung, serviert Virzi ein kräftiges Plädoyer für Selbstbestimmung und erlaubt ein Lächeln, setzt auf einen heiteren und leichten Ton. Die Gräfin stößt auf wenig Gegenliebe beim Kurzbesuch in der reichen Familie, Donatella genießt Augenblicke der Nähe mit ihrem Kind. Dabei erobern die Frauen gemeinsam und ohne an das Morgen zu denken, mutig ein Stück Lebensfreude zurück. Das tut gut!  


Kino: Arena, Atelier, Leopold, Rottmann, Rio Theatiner OmU

Regie: Paolo Virzi (I, 116 Min.)

 

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