Die AZ-Filmkritk zu "Florence Foster Jenkins" mit Meryl Streep und Hugh Grant

Stephen Frears braves Porträt der Exzentrikerin „Florence Foster Jenkins“, gespielt von Meryl Streep.
Robert Braunmüller |
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"Florence Foster Jenkins"
Constantin 2 "Florence Foster Jenkins"
"Florence Foster Jenkins"
Constantin 2 "Florence Foster Jenkins"

Der auch für 500 Dollar nicht käufliche Musikkritiker der „New York Post“ hat sie umgebracht. Ihn ärgert der Missbrauch der heiligen Kunst von Mozart und Verdi zur Selbstdarstellung einer übergeschnappten älteren Dame. Allerdings lässt er es an Sorgfalt fehlen und verreißt Florence Foster Jenkins gnadenlos, obwohl er ihr Konzert in der Carnegie Hall vorzeitig verlassen hat.

Die 1944 in New York angeblich vom Gram über boshafte Kritiken dahingeraffte Florence Foster Jenkins gilt laut Guinessbuch der Rekorde als „schlechteste Sängerin der Welt“. Jeder, der Oper liebt, bekommt irgendwann einmal ihre verhunzte Version von Mozarts Arie der Königin der Nacht aus der „Zauberflöte“ zu hören.

Ralf Pleger und die amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato widmeten Florence Foster Jenkins eben eine liebevolle Doku, die noch in einigen Kinos läuft. Der britische Regisseur Stephen Frears hat sich dieser skurrilen Frau in einem Biopic angenommen: als ziemlich konventionelles Star-Vehikel für Meryl Streep und Hugh Grant.

Frears erzählt die Geschichte einer großen, ungleichen und herzerweichend innigen Liebe: Der verkrachte Schauspieler St. Clair Bayfield (Grant) lässt sich von einer älteren Millionenerbin (Streep) aushalten. Sie ist Syphilitikerin im Sekundärstadium. Den Sex holt er sich anderswo, der Kranken liest er dafür jeden Wunsch von den Augen ab. Er fördert ihre Gesangsambitionen trotz erwiesener Unfähigkeit, um ihr glückliche letzte Jahre zu schenken. Und weil Geld nicht stinkt, macht auch ein Gesangspädagoge der Metropolitan Opera eine Weile billigend bei diesem Spiel mit.

Es ist unglaublich rührend, wenn Streep und Grant zusammen im Bett liegen, er angezogen, mit der Decke von ihr getrennt. Aber die Identifikation mit der Heldin hat ihren Preis: Der Geschichte wird alles Wunderliche, Schräge und Schrille ausgetrieben. Dass die Dame posthum in der schwulen Subkultur zum Mythos wurde, ist in diesem Film nur zu ahnen. Die exzentrischen Kostüme, die sie zum Vorbild aller Drag-Queens machten, kommen in diesem Film nicht vor. Plegers Dokumentation dagegen hat all das liebe- und fantasievoll ausgeschmückt. Bei Frears tritt Meryl Streep nur einmal als kreuzbrave Walküre auf, und das war’s.

Florence Foster Jenkins erinnert in diesem Film an eine schrullige Erbtante. Als eine ihrer Schallplatten versehentlich im Radio läuft, lachen sich verwundete US-Soldaten in den Lazaretten gesund. Die Sängerin glaubt an ihren späten Durchbruch. Sie mietet die Carnegie Hall, wird von angetrunkenen Veteranen verspottet, bis eine blonde Schlampe mit goldenem Herz durch eine flammende Ansprache die Stimmung im Saal dreht. Aber da ist der Kritiker schon hinaus. Und sein Verriss lässt die gesundheitlich angeschlagene Sängerin zusammenbrechen.

Der Film huldigt mit kleiner Münze dem amerikanischen Prinzip „Lebe Deinen Traum!“. Florence Foster Jenkins schafft es, und wie man im Abspann erfährt, auch der von Simon Helberg wunderbar verklemmt-schmächtig gespielte Pianist Cosme McMoon: Er wird eine Koryphäe für Bodybuilding, obwohl er auf diesem Gebiet so talentlos wirkt wie Florence Foster Jenkins im Gesang. Die Verehrer von Streep und Hugh Grant werden den Film mögen, für Opernaffine, Performer, Musikkritiker und andere schräge Vögel ist er zu bieder.


Regie: Stephen Frears (GB/F, 110 Min.)

Kinos: Arri, Atelier, Cadillac, Münchner Freiheit, Mathäser

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