Die AZ-Filmkritik zur neuen Produktion von George Lucas und J.K. Rowling

„Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“: J.K. Rowling entwirft eine großartige Welt.
von  Florian Koch
Gut, dass Newt Scamander (Eddie Redmayne) ein Händchen für Tiere hat, auch für den riesenhaften Vogel namens Thunderbird.
Gut, dass Newt Scamander (Eddie Redmayne) ein Händchen für Tiere hat, auch für den riesenhaften Vogel namens Thunderbird. © Warner Bros.

George Lucas und J.K. Rowling sind auf den ersten Blick völlig verschieden. Doch ihnen ist mit „Star Wars“ und „Harry Potter“ etwas gelungen, woran so viele scheitern: Welten zu kreieren, die trotz Märchenanleihen verblüffend originell wirken. Umso verständlicher, dass man aus diesem Kosmos Kapital schlagen will. So werden die Freunde der Science-Fiction-Macht mit neuen „Krieg der Sterne“-Missionen beschenkt, aber auch Fans der Hogwarts-Hexerei kommen mit fünf frischen Kino-Abenteuern nicht schlecht weg.

Es erstaunt, dass der erste Ableger „Phantastische Wesen und wo sie zu finden sind“, der auf einem schmalen Potter-Ergänzungsband beruht, gleich mit dem bricht, was die Saga so berühmt gemacht hat: dem eigenen Ansatz, dem Alleinstellungsmerkmal. Ohne das freundschaftlich-freche Zusammenspiel von Harry, Ron und Hermine bleibt in Rowlings erstem Drehbuch für einen Spielfilm erst einmal eine Leerstelle.

Gefüllt wird sie mit einem Weltenentwurf, der verdammt bekannt wirkt. Im New York der 20er Jahre strandet der junge britische Zauberer Newt Scamander (Eddie Redmayne) mit einem Koffer wilder Kreaturen. Klar, dass die ersten dann auch ausbüchsen und eingefangen werden müssen, „Ghostbusters“ oder „Men in Black“ lassen grüßen. Das bedrückend-graue Großstadt-Klima verdrängt hier jeden jazzig-wilden „Roaring Twenties“-Charme, erinnert vielmehr an den apokalyptischen Gesellschaftsentwurf der „X-Men“. Wie bei den Mutanten gibt es auch in der geheimen Zaubererwelt Fraktionen. Im Machtzentrum Macusa will die Mehrheit im Verborgenen für Kontrolle sorgen, während Hardliner wie der eiskalte Direktor Percival Graves (Colin Farrell) die schwächlichen Menschen, die sogenannten No-Maj, verachten und nach einer neuen Rolle suchen.

Doch die No-Majs sind in der extrem düsteren Welt auch nicht viel besser. Entweder sie horten sich als Evangelikale zusammen, die mit Peitschenhieben die eigenen Kinder züchtigen und gegen die unauffindbaren Übernatürlichen eine Hexenjagd veranstalten, oder sie werden von der starken Presse und der Politik ignoriert.

In dieser gespaltenen Gesellschaft voller Ängste und Intoleranz spüren Rowling und ihr Stamm-Regisseur David Yates natürlich auch aktuellen Ereignissen wie der Flüchtlingskrise nach.

Was den visuell berauschenden, actiongeladenen Fantasy-Trip aber besonders macht, ist Rowlings Gespür, immer wieder verblüffend leicht zu wirken und skurrile Figuren zu kreieren, die man schnell ins Herz schließt. Das Zeug zum Publikumsliebling hat der Niffler, ein blitzschneller Maulwurf mit dem Gemüt einer diebischen Elster. Etwas unnahbar hingegen wirkt zuerst Potter-Ersatz Newt. An die Verschrobenheit des Vorzeige-Ökologen muss man sich gewöhnen, im Zusammenspiel mit dem gutmütig-naiven No-Maj Kowalski (Dan Fogler) gewinnt aber auch Newt an Charakter und der Film an Format.

Das Eis bricht endgültig, als die beiden so gegensätzlichen Typen auf die für Macusa arbeitende Zauberin Porpentina (Katherine Waterston) und ihre herrlich flippige, Gedanken lesende Schwester Queenie (Alison Sudol, bekannt als Sängerin von A Fine Frenzy) treffen. Ihre verschämten Flirtversuche sind so kauzig-britisch, so weit weg vom amerikanischen Romantik-Klischee, dass der Erfolg der Reihe auch ohne den berühmten Zauberlehrling sicher scheint.


Regie: David Yates (USA, 133 Min.)

Kinos: Cadillac & Veranda, Cincinatti, Cinema, CinemaxX, Gloria, Leopold, Mathäser

 

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