Die AZ-Filmkritik zum neuen Kinofilm "Passengers" mit Jennifer Lawrence

Action-Romantik im All ohne viel Raffinesse: Chris Pratt und Jennifer Lawrence in „Passengers“.
von  Michael Stadler
Würde sie ihn immer noch lieben, wenn sie wüsste, warum sie hier einsam mit ihm ist? Aurora (Jennifer Lawrence) und Jim (Chris Pratt).
Würde sie ihn immer noch lieben, wenn sie wüsste, warum sie hier einsam mit ihm ist? Aurora (Jennifer Lawrence) und Jim (Chris Pratt). © Sony

Während draußen eisige Kälte herrscht, möchte man drinnen eigentlich nur schlafen. Schön wäre es doch, sich einfach in eine Raumschiffkapsel zu legen und die Winterszeit durchzupennen, wenn möglich sogar ein paar Jährchen, um die ganze Trump-Ära und alle anderen Katastrophen, die auf uns warten, nicht miterleben zu müssen: der große Schlaf als Segen für den gebeutelten Weltbürger.

Den 5000 Passagieren des Raumschiffs Avalon ist dieses Glück beschieden: Sie haben hundert Jahre Nickerchen vor sich, weil der Weg zu dem heimeligen Planeten Homestead II, den sie in Hinblick auf die arg unsichere Zukunft der Erde besiedeln sollen, doch sehr weit weg ist und der künstliche Schlaf jung und frisch hält. Vier Monate vor Ankunft sollen sie geweckt werden, und dann wartet auf der Avalon ein reichhaltiges Entertainment-Angebot auf sie. Wer wach ist, will bespaßt werden.

Ein Meteoritenhagel sorgt jedoch für kurzzeitige Unruhe auf dem Weltraumdampfer, es ruckelt ziemlich, und weil auf die Technik eben nie Verlass ist, wird ein Einzelner vorzeitig aufgeweckt. Jim heißt er, ist ein handfester Ingenieur und zudem mit dem Aussehen von Chris Pratt gesegnet. Es braucht seine Zeit, bis dieser Jim kapiert, dass er zu früh aus der Narkose gerissen wurde, ganze neunzig Jahre zu früh, was die Lebensperspektive doch erheblich einschränkt: auf ein Dasein allein im All, wobei ihm immerhin ein Roboter in der hyperedlen Raumschiff-Bar Gesellschaft leisten kann.

In der Bar kommt eine Erinnerung an „Shining“ auf

An die Bar in Stanley Kubricks „Shining“ erinnert dieser Ort, an dem Jim seine Schlummerwhiskeys trinkt, und für eine halbe Stunde erzählt „Passengers“, inszeniert vom norwegischen Regisseur Morten Tyldum („The Imitation Game“), ähnlich wie Kubricks Horrorfilm von dem aufdämmernden Wahnsinn, den so ein Ort mit seinen leeren, weiten Gängen auslösen kann.

Gleichzeitig nimmt sich „Passengers“ zu Beginn wie eine Satire auf unsere aufdringliche Service-Welt aus, muss Jim sich doch mit allerlei dienenden Computerstimmen auseinandersetzen und bekommt als Passagier, der nicht zur Premium-Klasse gehört, eben nicht das Frühstück serviert, das er sich eigentlich wünscht.

Jim macht in der Folge ein paar Stadien des Alleinseins durch, von der Verzweiflung über das Gefühl endloser Freiheit bis zur Langeweile – und täglich grüßt die Weltraumeinsamkeit. Dann schlägt der Egoismus jedoch gnadenlos zu: Um nicht völlig durchzudrehen, weckt Jim eine zweite Person auf, eine weibliche, weil er sich allein vom Ansehen schon etwas in sie verliebt hat. Jennifer Lawrence darf als Journalistin Aurora dann erstmal das durchleben, was Jim bereits hinter sich hat, nur, dass er an ihrer Seite ist.

Tyldums 3D-Film verwandelt sich nachhaltig in ein Date-Movie, weil hier zwei im Laufe mehrere Rendezvous zueinanderfinden, was (potentielle) Pärchen im Kinosaal sich ja gerne anschauen. Die Romantik hat jedoch ein Ende, als Aurora erfährt, dass sie von Jim geweckt wurde.

Ein Psychothriller lauert dann für Momente in den Weiten des Raumschiffs, gerade, wenn Jim über Lautsprecher sich bei Aurora entschuldigen will, während die sich ihren Frust von der Seele joggt. So sieht eigentlich Stalking aus, aber die Musik von Thomas Newman setzt einen beschaulichen Ton.

So, wie der ganze Film sich nach großartigem Start plötzlich in allzu gefälligen Blockbuster-Bahnen dreht. Viel Action und doch keine Raffinesse, was einem immerhin die Möglichkeit gibt, schön einzudösen.


Kino: Cincinnati, Gabriel, Cinemaxx sowie Museumslichtspiele und Cinema (OV)

Regie: Morten Tyldum (USA, 116 Min)

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