Die AZ-Filmkritik zum neuen Kinofilm „Marie Curie“
Als der Film zu Ende ist und der Zuschauer seinen Gedanken überlassen, gibt es gleich eine kleine Interpretationshilfe: Parallel zum Abspann sieht man Marie Curie durch das heutige Paris radeln. Das bringt das Programm des Biopics „Marie Curie“ originell auf den Punkt: Es porträtiert die zweifache Nobelpreisträgerin als Frau, die aus ihrer Zeit und deren engen Grenzen fällt.
Alles an ihr ist zu modern für die Jahre 1904 bis 1911, von denen der Film erzählt: Marie Curie (Karolina Gruszka) ist Workaholic, nach dem Unfalltod ihres Mannes und Kollegen Pierre Curie (Charles Berling) arbeitet die Trauernde für zwei. Sie will die Radium-Krebstherapie weiterentwickeln, kämpft darum, als erste Frau in die Académie des sciences aufgenommen zu werden und ein Radium-Institut zu gründen. Als Dozentin lehnt sie den üblichen Frontalunterricht ab, setzt auf Begeisterung und Neugierde ihrer Schüler.
Auch privat hält sie’s nicht mit den Vorstellungen der Vorkriegszeit: Sie ist leidenschaftlich und lebenslustig, springt beim Strandspaziergang spontan ins Meer. Und nach Jahren der Trauer beginnt sie eine Affäre mit dem charmanten Kollegen, in den sie sich verliebt hat. Doch Paul Langevin (Ariel Worthalter) ist verheiratet.
In der Männerwelt des frühen 20. Jahrhunderts führt all das zu großen Konflikten. In die Akademie wird nicht sie aufgenommen, sondern der weniger qualifizierte Kollege. Der Physiker Émile Amagat (Daniel Olbrychski), der dafür in der Akademie den Ausschlag gibt, sieht sie als Sex-Objekt, ihre Leistungen werden nur in der Zuarbeit für ihren Mann gesehen. Und selbstredend werden ihre Probleme noch größer, als ihre Affäre auffliegt.
Es gibt also viele Konflikte im Leben dieser beeindruckenden Frau. Das Problem des Films ist, dass er allen nachgeht – und deshalb keiner genügend Raum hat, um Wucht zu entfalten. Am meisten schafft das noch die unglückliche Liebesgeschichte, die in einen Skandal mündet. Der lässt die Schwedische Akademie der Wissenschaften drängen, Marie Curie solle auf ihren zweiten Nobelpreis verzichten.
Dazu hat sie den passenden Satz: „Würde man alle männlichen Kollegen ausladen, die eine Affäre haben, dann käme kaum eine Nobelpreisverleihung überhaupt zustande.“
Kinos: Arri, City, Solln, Rio
Regie: Marie Noëlle (F/P/D, 100 Min.)
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