Die AZ-Filmkritik zum neuen Kinofilm Die Hölle - Inferno mit Tobias Moretti
„Die Hölle – Inferno“: Holpriges Buch, aber große Spannung und starke Action.
Die Härte der Nacht hat Spuren bei der türkisch-stämmigen Taxifahrerin Özge hinterlassen, die Thai-Boxerin fackelt nicht lange. Einen Typen, dessen Auto ihr den Weg versperrt, knallt sie auch schon mal gegen die Windschutzscheibe. Doch was dann nach Dienstschluss passiert, ist selbst für die hartgesottene Großstadtpflanze ein Schock.
Beim Blick ins gegenüber liegende Fenster sieht sie die zerstückelte Leiche ihrer Nachbarin und einen Schatten – den Täter. Der will die Zeugin in der gelben Jacke töten, bringt dabei irrtümlich ihre Cousine um. Als er auf dem Rücksitz des Autos das blanke Messer zückt, entrinnt sie nach einem Kampf dem Tod nur knapp.
Der Österreicher Stefan Ruzowitzky ist immer für filmische Überraschungen gut, lässt sich nicht festlegen, ob Alpenwestern „Die Siebtelbauern“ oder zwei Ausgaben des Horrorthrillers „Anatomie“. Nach dem Auslands-Oscar für das KZ-Drama „Die Fälscher“ probierte er neue Wege, realisierte mit „Hexe Lili – Der Drache und das magische Buch“ einen Kinderfilm, versuchte sich bei „Cold Blood“ stilistisch an einer Art modernem Western, untersuchte in einem essayistischen Dokumentarfilm „Das radikal Böse“. Dem Bösen bleibt er auch in seinem aktuellen, tief schwarzen Thriller treu, und es taucht in verschiedenen Formen auf.
Die Wunden des Lebens
Nicht nur im Hinmetzeln einer Prostituierten durch einen scheinbar Wahnsinnigen, sondern auch in Özges Erinnerungen an Missbrauch durch den Vater, an brutale patriarchalische Frauenunterdrückung. Die wütende Rächerin, eindringlich verkörpert durch Violetta Schurawlow, leidet an den Wunden des Lebens. Aber sie ist kein Opfer. Erst durch einen an Wiener Wurstigkeit und Zynismus kaum zu übertreffenden Kommissar (Tobias Moretti), der sein mitfühlendes Herz verbirgt, lernt sie Vertrauen. Zwei einsame Seelen, die sich in diesem morbiden Mix aus verschiedenen Kulturen und Mentalitäten treffen. Ganz ohne geschönte Migrantenwelt oder aufgehübschte Touri-Metropole.
Elektrisierende Spannung und rasanter Schnitt, eine beklemmende Atmosphäre, ästhetisch-stimmige Bilder und ein mysteriöser Killer lassen bei diesem gewaltvollen Genrefilm das Blut in den Adern gefrieren, auch wenn das holprige Drehbuch letztendlich die Motivation des Psychopathen nur streift. Trotzdem: Rutzowitzky beweist mit waghalsigen Verfolgungsfahrten und gewagten Stunts, dass der österreichische Film auch Action vom Feinsten kann. Und das ohne große Hollywood-Budgets. Gemütlich ist dieses Wien ohne Sachertorte jedenfalls nicht.
Regie: Stefan Ruzowitzky (Österreich 2017, 92 Minuten)
Kino: Gabriel, Museums-Lichtspiele
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