Die AZ-Filmkritik zu Sully, dem neuen Film von Clint Eastwood mit Tom Hanks

„Sully“: Nach einem Scharfschützen im Irakkrieg („American Sniper“) widmet Clint Eastwood jetzt einem Piloten ein souveränes Heldenporträt.
Tobias Sedlmaier |
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„Sully“ - ab jetzt im Kino
Warner „Sully“ - ab jetzt im Kino

Das Flugzeug rauscht durch die Hochhausschluchten Manhattans, im rasanten Sinkflug kommen die Straßenzüge näher und näher. Eine Tragfläche streift ein Gebäude, Glasfronten bersten, Mauerstücke fliegen. Dann: Absturz, Aufprall – ein Feuerball. Eine Szene wie der 11. September.

Ein Held, der in Frage gestellt wird und zu zweifeln beginnt

Doch es ist nur ein Albtraum, aus dem Captain Chesley „Sully“ Sullenberger (gespielt vom weißhaarig gefärbten, amerikanischen Lieblingshelden: Tom Hanks) in der Einsamkeit eines Hotels schweißgebadet aufschreckt. Schließlich hat der erfahrene Pilot nur wenige Stunden zuvor mit seiner unorthodoxen Entscheidung auf dem Hudson River notzulanden, dafür gesorgt, dass die New Yorker kein erneutes Flugzeugtrauma erleben mussten.

Denn der 15. Januar 2009 wurde nicht zum Tag einer Flugzeugkatastrophe, sondern ein Tag, an dem eine Katastrophe verhindert wurde: Der US-Airways-Flug 1549 war noch nicht lange vom New Yorker Flughafen LaGuardia abgehoben, als ein Vogelschlag beide Triebwerke des Flugzeugs lahmlegte. Captain Sullenberger entschied sich für ein riskantes Notfallmanöver und landete den Airbus A320 mit 155 Menschen auf dem Wasser. Niemand erlitt schwerwiegende Verletzungen.

„Sully“ ist kein Biopic, kein reines Drama, kein simpler Katastrophenfilm, sondern eine mehrschichtige Reflexion über richtiges Handeln und dessen Bewertung, über Standpunkte und Konsequenzen. Die Heldentat selbst wird mit der von Eastwood bekannten Unaufgeregtheit inszeniert, was als Gegenmodell zum allgemeinen medialen Unfallhype wohltuend hervorsticht.

Fast schon dokumentarisch, ohne spannungsvolle Musik oder hektische Schnitte werden die Rettungsmaßnahmen für die auf dem eiskalten Hudson festsetzenden Passagiere gezeigt: als funktionierende Routinearbeit aller Einsatzkräfte und spontane Hilfeleistung eilig verständigter Fähren – nicht als effektheischende Sensation. Der 86-jährige Regisseur wird somit das filmisch souveräne Pendant zum Piloten.

In „American Sniper“ porträtierte Eastwood 2014 zuletzt einen Helden, dessen moralischer Status nach über 150 bestätigten Tötungen zweifelhaft war. Der „American Hero“ seines neuen Films scheint hingegen über jeden Zweifel erhaben zu sein, hat er schließlich mit seiner Landung das für unmöglich gehaltene möglich gemacht.

Doch trotz der tiefen Dankbarkeit der New Yorker Bevölkerung muss sich Captain Sully zusammen mit seinem Co-Piloten (Aaron Eckhart) vor einem Untersuchungsausschuss verantworten. Er sei mit der Landung auf dem Fluss ein zu hohes, unnötiges Risiko eingegangen, lautet der Vorwurf, der sich in Wahrheit aus versicherungstechnischen Interessen speist. Doch Sully zweifelt an sich selbst und beginnt in mehreren Telefonaten mit seiner Frau (Laura Linney) seine Entscheidung zu hinterfragen.

Was wiegt der „menschliche Faktor“, was zählen jahrelange Berufserfahrung, Instinkt und Intuition in Zeiten der vollständigen Automatisierung? Wo endet Heldentum und beginnt Verantwortungslosigkeit?„Sully“ gibt auf diese Fragen eine klare, versöhnliche und starke Antwort.


Kino: Gabriel, Gloria, Cinemaxx Rio, Royal, Leopold (auch OmU), Mathäser (auch OV) und Cinema, Museum (OV)

Regie: Clint Eastwood (USA, 96 Min.)

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