"Die andere Seite der Hoffnung": Zwischen Orchidee und Kaktus

München - Es gibt einen dritten Weg zwischen naiver Willkommenskultur und hetzendem Pegida- Hass: Aki Kaurismäkis "Die andere Seite der Hoffnung" ist eine Geschichte der Annäherung: Ein junger Syrer entkommt dem Krieg und kommt auf einem Frachtschiff versteckt in einem Kohlehaufen, also doppelt "schwarz", in Helsinki an. Ein älterer finnischer Handelsreisender für Krawatten und Männerhemden fühlt, dass sein öder Job und die erkaltete Ehe sein Tod sind. Er räumt sein bisheriges Leben ab und verwirklicht einen Lebenstraum: ein eigenes Restaurant.
Die beiden werden zusammenkommen im Kampf um ihren Neuanfang: Kahled (Sherwan Haji) als Spüler in Wikströms (Sakari Kuosmanen) Restaurant ist im Versteckspiel mit der Ausländerbehörde. Und Wikström hat – gastronomisch völlig unerfahren – nicht nur Ärger mit den Auflagen des Kreisverwaltungsreferats, sondern auch mit mangelnder Besucherresonanz.
Aki Kaurismäki macht daraus eine wunderbare Tragikomödie: wahrhaftig und kunstvoll in seiner gewohnt starken Stilisierung der Bilder, die oft wie die entschlackten und farblich klaren Bilder von Edward Hopper aussehen. Da leuchtet im Hintergrund nostalgisch die Jukebox, ergänzen sich weinrot Kellnerjacke und der Rock der Bedienung mit dem Tizianrot des Teppichs.
Funktional designtes Interieur verweist 60 Jahre zurück. Ein Kaktus auf dem Ehetisch steht für Distanz, eine gelbe Orchidee zeigt fragile Zuversicht an. Ein Aschenbecher vertieft das Schweigen. Alles wie "Tableaux vivants", lebende Bilder einer Kunstwelt, in der eine ganz aktuelle, lebensnahe Geschichte zweier Neuanfänge erzählt wird.
Kaurismäki gelingt dabei eine großartige Balance zwischen Ernst und Komik: Die Ausländerbehörde ist freundlich sachlich, lehnt dann extrem kühl Khaleds Asylantrag ab. Versteckt im Restaurant geht das Leben weiter – beim originellen Versuch, kulinarischen Moden nachzurennen mit "italienischer" Küche und dann "Sushi", um den Bankrott abzuwenden. Immer am Rande des Abgrundes entwickelt der Film eine heitere Gelassenheit mit optimistischen, dennoch ehrlich offenem Ende.
Wie also gelingt Annäherung? In der Erkenntnis, dass jeder Mensch ähnliche Hoffnungen, Sehnsüchte und Ängste hat. Und in diesem Blick wird der andere zum Lebens- und Leidensgenossen, zum Gastfreund und Mitmenschen – ohne jedes Pathos. Denn gegen Sentimentalität setzt Kaurismäki seine Lakonie.
Auf der Berlinale vor sechs Wochen hat er gedroht, "Die andere Seite der Hoffnung" wäre sein letzter Film. Aber dabei soll er – Gott sei Dank – angetrunken gewesen sein.
Kino: Arena, Arri, City und Theatiner (OmU) R: Aki Kaurismäki (Fin. 98 Min.)