"Der perfekte Chef": Aus der Balance geraten

Die Begriffe "Anstrengung, Ausgewogenheit und Treue" zieren die Fabrikwand von Blasco-Waagen, einem Familienbetrieb irgendwo in der spanischen Provinz. Und tatsächlich bemüht sich Firmenbesitzer Julio Blanco (Javier Bardem) das Leben für ihn selbst, seine meist langjährigen Mitarbeiter und vor allem die Firma perfekt auzutarieren.
Der Vorzeigebetrieb erwartet den Besuch eines Wirtschaftskomitees. Die Bezirksregierung schreibt den Preis für ein Exzellenz-Business aus, das dem schon vielfach prämierten Waagenhersteller neue Fördermittel sichern würde. Julio Blanco schwört deshalb seine Mitarbeiter darauf ein, alles besonders gut zu machen. "Ihr seid für mich wie meine Kinder", sagt der kinderlose Ehemann: "Wenn es euch gut geht, geht es auch mir gut." Das klingt genau so übergriffig, wie Blanco dann auch handelt. Selbst in die Affären seiner Mitarbeiter mischt er sicht ein, wenn er merkt, dass ein Mitarbeiter in der Fabrik nicht mehr ganz bei der Sache ist.
"Der perfekte Chef": Eine etwas langatmig erzählte Satire
Auch wenn Blanco die Firma als Familie ansieht, ist es doch nicht wahr, dass seine Praktikantinnen "wie Töchter" für ihn sind. Liliana (Almudena Amor) jedenfalls zieht den Chef durchaus aktiv in die Horizontale, dabei hat er gar nicht gemerkt, dass sie die Tochter eines alten Schulfreundes ist, der dann abends mit Ehefrau zum Essen auftaucht.
Regisseur und Drehbuchautor Fernando León de Aranoa zählt die Tage bis zum Kontrollbesuch des Komitees rückwärts und bezieht die Spannung daraus, dass Blancos Leben immer stärker aus der Balance gerät je näher der Termin rückt. Das Protestcamp eines gefeuerten Mitarbeiters vor dem Firmentor wird noch zum folgenschweren Problem.
Die etwas langatmig erzählte Satire hat in Javier Bardem seine spektakuläre Hauptattraktion: Es ist ein Ereignis, wie Bardem die Scheinheiligkeit des Patróns verkörpert, die Grausamkeit hinter der nur selten entgleitenden kontrollierten Fassade und die Verlogenheit, wenn er Werte wie Loyalität und Solidarität propagiert, die er selbst andauernd für das Wohl der Firma verrät. Almudena Amor hingegen überzeugt als eiskalte Schönheit, die dem Chef mit seinen eigenen Waffen auf Augenhöhe begegnet.
"Der perfekte Chef" war der große Abräumer beim spanischen Filmpreis Goya, was ein bisschen verwundert, weil er Icíar Bollaíns meisterhaftes ETA-Aufarbeitungsdrama "Maixabel" in fast allen Hauptkategorien schlug. Der Goya für die männliche Hauptrolle ist allerdings folgerichtig, Bardem allein lohnt den Kinobesuch.
Kinos: City, Leopold, Monopol, sowie ABC, Isabella (OmU) | R: Fernando León de Aranoa (E, 120 Min.)