Der Oscarmacher senkt den Daumen
Was ist Cannes ohne Roten Teppich? „Nur“ der größte Filmmarkt der Welt. Weil aber der schöne Schein an der Cote d’Azur das (Selbst)Bewusstsein bestimmt, ist der Streit um den Eröffnungsfilm ein Politikum. Fürst Albert will zusammen mit seiner Familie der Eröffnungs-Gala keinen Glanz verleihen. Der Kelly-Sohn ist samt Familie „not amused“ über den Film „Grace of Monaco": „Verdrehung der Tatsachen aus rein kommerziellen Gründen!“ Mit Verlaub, Fürst Albert, ein alberner Vorwurf gegen einen Film, der auf anderthalb Stunden eine komplexe Familien- und Politgeschichte verdichten muss, das sogar ganz tapfer löst und die US-Starschönheit Grace Kelly am Ende fast heilig spricht.
Aber vielleicht will genau das ja der europäische Dünkel-Palast nicht. Diesen – sogar werbewirksamen Streit – könnte Cannes wegstecken, aber es gibt auch einen künstlerischen: Weinstein – die US-Produzentenlegende mit Oscar-Riecher – ist seinem Spitznamen „Harvey Scissorshand“ wieder gerecht geworden und hat den Film radikal umschneiden lassen, politischer sollte er werden, was aber nicht recht funktionierte. Jetzt hat er seine US-Rechte am Film noch vor der Weltpremiere zum Verkauf angeboten, er glaubt selbst nicht mehr an den Erfolg in der Heimat von Grace Kelly.
Zu wenig Frauen?
Nicole Kidman wird jetzt als Kelly-Darstellerin für den Eröffnungs-Glamour sorgen müssen, aber sie fürchtet sich ein wenig. Denn schon 2001 trug sie hier die Last des Eröffnungsfilms mit Buz Luhrmanns „Moulin Rouge“, der als oberflächlich kitschiges Machwerk bei der Pressevorführung ausgebuht worden war, was den kommerziellen Erfolg des Filmes aber nicht verhinderte.
Zunehmend kommt das Festival in seiner 68-jährigen Geschichte aber unter den Druck der politischen Korrektheit: Zu wenig Frauen!, schimpfen vor allem die amerikanische und französische Presse. Von den 18 Wettbewerbsfilmen sind nur zwei von Filmemacherinnen (von Alice Rohrwacher aus Italien und der Japanerin Naomi Kawase).
Auf dem Roten Teppich werden dennoch vor allem Frauen die Blicke auf sich ziehen: Julianne Moore ist mit Robert Pattinson für David Cronenbergs Hollywoodsatire „Maps to the Stars“ da, Hilary Swank und Meryl Streep kommen für einen Tommy-Lee-Jones-Western auf die Croisette. Die belgischen Dardenne-Regiebrüder verschaffen Frankreich mit Marillon Cotillard einen Schönheitsauftritt, der nur durch den halb in Ungnade gefallenen Gérard Depardieu getrübt wird. Dieser hat mit Regisseur Abel Ferrara gedreht, „Welcome to New York“ ist aber nicht offiziell eingeladen.
Deutschland spielt keine Rolle
Positiv wird wahrgenommen, dass der weibliche Blick nicht nur durch den Juryvorsitz einer Frau, der Neuseeländerin Jane Campion („Das Piano“), gewahrt wird. In diesem neunköpfigen Gremium sind die Frauen in der Überzahl und unter anderen auch Sofia Coppola und die französische Schauspielerin Carole Bouquet vertreten.
Deutsche Regisseure sind wieder nicht im Wettbewerb unter den acht europäischen Wettbewerbern um die Goldene Palme vertreten. Wim Wenders rettete zuletzt 2008 die Ehre mit seinem „Palermo Shooting" im Wettbewerb. Er ist neben Volker Schlöndorff (1979 mit seiner „Blechtrommel“) der einzige deutsche Palmengewinner überhaupt (mit „Paris Texas“ 1984).
Jetzt ist seine Dokumentation „The Salt of the Earth“ über die brasilianische Foto-Legende Sebastiao Salgado in der wichtigen Nebenreihe „Un certain regard“ zu sehen. Und Hanns Zischler und Lars Eidinger sind immerhin in „Sils Maria“ von Olivier Assayas mit dem US-Star Kristen Stewart zu sehen.
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