Kritik

Der neue Spider-Man "No Way Home": Herrlich versponnen

Dramatisch und gewitzt: In der Comic-Verfilmung "Spider-Man: No Way Home" bekommt der Spinnenheld Besuchvon vertrauten Feinden
von  Florian Koch
Tom Holland spielt den neuen Spider-Man.
Tom Holland spielt den neuen Spider-Man. © Columbia Pictures

Comic-Verfilmungen? Die galten vor 20 Jahren als düster-verschroben (Batman), luftig-lächerlich (Superman) oder als zweitklassige Videotheken-Füller. Erst Sam Raimis "Spider-Man" machte die Helden in Spandex-Kostümen menschlicher, nahbarer, lässiger. Und bewies mit der Besetzung von renommierten Schauspielern wie Tobey Maguire, Kirsten Dunst oder Willem Dafoe, dass ganz Hollywood bei diesem Thema wirklich ernst macht. Nun hängt, glaubt man so manchem Bericht aus Übersee, nicht nur die Zukunft der Marvel-Comics, sondern gleich die der ganzen Kinobranche am seidenen Faden von "Spider-Man: No Way Home".

Nach bitteren Flops wie Steven Spielbergs ambitionierter Neuverfilmung der "West Side Story" soll die Fortsetzung der spinnerten Superheldensaga die an den Folgen der Pandemie darbenden Kinos wieder füllen und wenigstens das wichtige Weihnachtsgeschäft retten. Für diesen Kraftakt geht das Team um Regisseur Jon Watts glücklicherweise nicht auf Nummer sicher, sondern spannt das Handlungs-Netz bis zu den Anfängen der Sam-Raimi-Ära.

Spider-Man - No Way Home: Mitgehangen, mitgefangen

Am Ende von "Spider-Man: Far From Home" (2019) wurde die Identität des jungen Helden unter der Maske vom sterbenden Bösewicht Mysterio (Jake Gyllenhaal) enthüllt. Die unangenehmen Folgen spürt Peter Parker (Tom Holland) gleich zu Beginn des neuen Films. Keinen Schritt kann er mehr tun, ohne dass er dabei gefilmt wird. Und schlimmer noch, die Fake-News-Schleuder J. Jonah Jameson (J.K. Simmons) behauptet auf ihrem TV-Kanal auch noch, dass Spider-Man ganz und gar nichts Heldenhaftes an sich habe.

Mitgehangen, mitgefangen in diesem Strudel aus Anschuldigungen und Verschwörungstheorien sind auch Peters smarte Freundin MJ (Zendaya) und sein nerdiger Kumpel Ned (Jacob Batalon). Die öffentlichen Demütigungen gehen irgendwann so weit, dass keine Universität die drei mehr aufnehmen will. In all seiner Verzweiflung wendet sich Peter an den großen Magier der Avengers, Dr. Strange (Benedict Cumberbatch), der die Enthüllung seiner Identität doch bitte wieder rückgängig machen soll. Als Peter ins Abrakadabra jedoch hineinplappert, öffnet der leicht missglückte Zauberspruch das Portal in andere Zeitebenen, dem Marvel Metaverse.

Was den Filmemachern dann auch die Gelegenheit gibt, längst besiegte Gegner aus früheren Spider-Man-Filmen in die Jetztzeit zurückzuholen. Darunter den mit Metallarmen ausgestatteten Doctor Octopus (Alfred Molina), den janusköpfigen Green Goblin (Willem Dafoe) oder den unter Hochspannung stehenden Electro (Jamie Foxx). Nach ein paar mehr oder weniger spektakulären Scharmützeln verweigert sich Jon Watts einer Aneinanderreihung von nostalgisch aufgewärmten Actionszenen. Vielmehr versucht er im Umgang mit den Bösewichtern von einst noch einmal die Besonderheit seiner Version eines unsicheren, jungenhaften Spider-Mans herauszustellen.

 Ein Spider-Man als Teamspieler

Dieser sympathische Held wider Willen funktioniert dabei als Sprachrohr einer engagierten, idealistischen "Fridays for Future"-Generation. So empfindet es Peter als anmaßend,, die erstaunlich rasch eingefangenen Bösewichter, wie es der herrische Dr. Strange möchte, wieder in ihre Welten, und damit auch dem sicheren Tod, zu schicken. Dieser Spider-Man ist ein Teamspieler, kein Egomane, der seine Gegner lieber verstehen, ja heilen will, als sie zu bekämpfen.

Der damit einhergehende Verzicht des Films auf eine äußere Spannung, auf ein klassisches Gut-gegen-Böse funktioniert nicht immer, weil die spaßigen Therapieszenen zu schnell aufgegeben werden und die verdutzten Fieslinge bald doch wieder in ihre alten Verhaltensmuster fallen. Wenn aber im letzten Drittel, ohne hier zu viel verraten zu wollen, dann auch die Spider-Men der früheren Filme ins Geschehen eingreifen, dann entwickelt der Blockbuster plötzlich eine selbstironische Komik und erfrischende Dynamik. Darüber hinaus werden ein altväterlicher Tobey Maguire, der es als erfahrenster Spider-Man jetzt auch im Rücken hat und ein Midlife-Crisis geplagter Andrew Garfield mit würdigen Auftritten beschenkt, die sie in dieser Form in ihren eigenen schwachen letzten Spider-Man-Filmteilen gar nie hatten.


Kino: Cadillac, CinemaxX, Leopold, Mathäser sowie Cinema und Museum (OV), Royal; R: Jon Watts (USA, 148 Min.)

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