"Der Meister und Margarita" als neuer Kinofilm mit August Diehl
Eigentlich ist es ein Kinotraum: Ein intellektueller Fantasyfilm mit viel Action auf der Basis eines Weltliteraturromans! Und doch glauben die deutschen Kinobetreiber nicht groß an ihn - vielleicht gerade, weil "Der Meister und Margarita" in keine Schublade passt - und wirklich: Ganz einfach ist die Sache auch nicht. Regisseur Michael Lockschin drehte in Russland auch mit einer US-Produktionsfirma im Rücken - alles vor dem Angriff auf die Ukraine. Aber mit dem Krieg stieg Universal Pictures aus.

Dennoch erkämpften die russischen Produzenten die Fertigstellung und einen Kinostart, und: Der Film wurde zum umsatzstärksten Film der letzten Jahrzehnte und spielte über zwei Milliarden Rubel ein, obwohl - oder gerade weil? - nationalkonservative Kreise den Film stoppen wollten. Jetzt startet er auch bei uns, und man kann sehen, warum Putinfreunde kochten: Geht es doch um Zensur, die Unterdrückung Andersdenkender - und am Ende brennt die metropolis-artige, kommunistische Großbaustelle Moskau, was der Gehilfe des Teufels an den Neronischen Brand von Rom erinnert.
Bluthochdruck und Nierenversagen
Aber was hat man da zweieinhalb Stunden lang gesehen? Der Schriftsteller Michail Bulgakow schrieb seinen Roman in den 30er-Jahren im Sowjet-Stalinismus und zeigte satirisch brutal eine von Angst und Zensur zersetzte Gesellschaft. Natürlich wurde "Meister und Margarita" verboten und erschien erst posthum in den 60er-Jahren und auch nicht vollständig, sondern erst unter Gorbatschow komplett.

Erzählt wird die Geschichte eines Schriftstellers, der von Zensur, Verbot und Todesdrohung psychisch zerrüttet in die Nervenheilanstalt kommt. Dort erzählt er seine Geschichte und schreibt heimlich den Roman "Meister und Margarita".
Die Neuverfilmung verschränkt diese Geschichte mit Bulgakow selbst. Er ist hier der eingesperrte Autor, so dass es über die Brechung vom "Roman im Roman" auch noch die Ebene des Lebens von Bulgakow selbst gibt, der 1940 mit 48 Jahren an Bluthochdruck und Nierenversagen in Moskau starb.

Hierhin kommt der Teufel (August Diehl) als deutscher Tourist - und treibt seinen diabolischen Schabernack mit dem kommunistischen Versprechen. Der Herrschaftstrick: "Denkt man immer an das Morgen, denkt man weniger über das Heute nach." Und das ist geprägt von Angst vor der Geheimpolizei, von einer feigen, beflissenen Bürokratie sowie einem verordneten Atheismus und heuchlerischem Konsumverzicht - vorgeblich aus Ideologie, in Wirklichkeit aus Mangelwirtschaft.
So sieht man aber hohe Funktionäre in großen Wohnungen mit Champagner feiern: Der Meister wird hier den Trinkspruch ausbringen: "Auf eine Gesellschaft, die die Bourgeoisie vernichten will!" Dann gehen die Moskauer in die Theaterpremiere einer Zukunfts-Revue, die die Welt im Jahr 2022 zeigt, in der alle Staaten Sowjetrepubliken geworden sind. Ein teuflischer Trick aber stürzt die Uraufführung ins materialistische Chaos, wenn alle sich um Kleider einer französischen Modenschau raufen, die der Teufel auf die Bühne gezaubert hat.
Wild, aufwändig, trickreich
Wer "Der Meister und Margarita" in dieser Kinoversion ansieht, erlebt einen tragischen Polit-Geschichts-Thriller, sieht eine Genie- und Liebesgeschichte und satirisch gebrochene Realität. Aber auch Surreales kommt mit dem Teufel ins Spiel inklusive Fantasy-Elemente, weil die gelangweilte junge Margarita (Julija Snigir) - zur Hexe verwandelt - ihren Geliebten "Meister" (Jewgeni Zyganow als Bulgakow) rächt und wieder haben will - und ihn posthum wiederbekommt auf einer Blocksberg-Edel-Erotik-Party.
Das alles ist wild, aufwändig, trickreich, überladen - eben großes Kino auf klassischer Grundlage.
Kino: ABC, Rio, City (auch OmU)
R: Michael Lockschin
(Rus, 2022, 150 Min.)
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