"Der Greif" startet auf Prime Video: "Diese Geschichte schafft ein neues Universum"
Fantasy aus Deutschland? Ja, das geht. Fast 40 Jahre nach Wolfgang Petersens Verfilmung von Michael Endes "Die unendliche Geschichte" wagt sich der Streaming-Riese Prime Video erstmals an eine aufwendige deutsche Fantasy-Serie.
Vorlage ist der 1989 von Wolfgang und Heike Hohlbein veröffentlichte Roman "Der Greif", in dem ein Junge eine fantastische Welt, genannt "Der Schwarze Turm", entdeckt, indem ein weltenzerstörendes Monster haust. Im Gegensatz zur Vorlage stehen dem Außenseiter Mark (Jeremias Meyer) beim Kampf gegen das Böse mit Memo (Zoran Pingel) und Becky (Lea Drinda) aber noch andere jugendliche Mitstreiter zur Seite.
AZ: Herr Hohlbein, die Serie wird stark mit ihrem Namen beworben. Wie glücklich sind Sie mit der in manchen Teilen deutlich von Ihrer Vorlage abweichenden Verfilmung?
WOLFGANG HOHLBEIN: Zum einen fühle ich mich geschmeichelt und bin auch dankbar, dass mein Name so stark mit der Serie verknüpft ist. Zum anderen finde ich, dass noch sehr viel von meiner Geschichte in der Serie steckt. Sicher ist auch noch einiges ergänzt worden, aber das passt für mich so ganz genau.
"Heute brauchen Serien eine starke, präsente Frau"
Was gefällt Ihnen an den Anpassungen der Showrunner Sebastian Marka und Erol Yesilkaya besonders?
Ich habe das Buch in den 80er Jahren geschrieben und heute sind einfach viele Dinge anders. Eine starke, präsente Frau war damals die Ausnahme – heute geht's nicht mehr ohne.

Stichwort Frau. Heike Hohlbein steht im Gegensatz zur Serie als Co-Autorin auf dem Cover von "Der Greif". Wie stark hat Sie damals Einfluss auf den Roman genommen?
Wir haben bisher etwa 30 Bücher zusammen gemacht. Das heißt aber nicht, dass sie mir abends den Stift klaut und am Buch mitschreibt. Wir reden im Vorfeld einfach viel über die jeweilige Geschichte, den großen Bogen, nicht so sehr über die Details. "Der Greif" ist in dieser Zusammenarbeit ein richtig gutes Beispiel.
"In diesem Buch wird ein komplettes Universum erschaffen"
Wie kam es zu dem Roman?
Der ist entstanden, als wir beide zusammen in Wien waren. Speziell auf den alten Wiener Stadthäusern wachen diese großen Figuren, Löwen, Legionäre, Walküren. Und auch einen Greif haben wir dort entdeckt. Unsere damalige Wiener Verlegerin hat uns dann eine dieser Dachlandschaften gezeigt. Uns beiden war dann sofort klar, dass wir eine Geschichte schreiben müssen, die dort auch spielt.
Sie haben über 150 Bücher verfasst. Was macht "Der Greif" für Sie zu einem Schlüsselwerk?
Wenn ich das wüsste, hätte ich wohl einen Bestseller nach dem anderen geschrieben. Der Erfolg beruht vielleicht auch darauf, dass hier auf der einen Seite eine unglaublich große Geschichte steht, in der ein komplettes Universum erschaffen wird. Aber auf der anderen Seite existiert auch eine ganz kleine Geschichte, die bei dir oder mir zuhause spielen kann. "Der Greif" lebt vom Kontrast aus der Faszination der großen Bilder, aber auch von nachvollziehbaren Gefühlen wie Schmerz oder Verlustängsten.
Neue technische Möglichkeiten lassen Fantasy-Markt wachsen
Von "Herr der Ringe" bis "Game of Thrones": Fantasy wird immer präsenter und geht auch mehr in Serie. Woran liegt's?
Es lässt sich einfach mehr möglich machen. Einer der Gründe, warum "Die Unendliche Geschichte" eher suboptimal ausfiel, war, dass die Macher an ihre technischen Grenzen gekommen sind. Das erste, was meine Frau damals über Fuchur sagte, war: "Fliegender Dackel!" Und der war ja auch ganz niedlich, aber halt kein Drache. In fünf Jahren ist die Technik so weit, dass wir all diese Welten auch bezahlbar erschaffen können. Damit wächst auch die Nachfrage nach Fantasy-Stoffen. So selbstverständlich wie man heute "Das kleine Fernsehspiel" dreht, verfilmt man in 20 Jahren Isaac Asimov.

Wünschen Sie sich manchmal, Sie hätten diese Goldgräberstimmung für Fantasyautoren früher erlebt?
Ach, ich bin ja das beste Beispiel für diese Entwicklung. Ich war in Deutschland im Bereich Fantasy nicht über zehn Jahre die Nummer eins, weil ich soviel besser war als die anderen, sondern weil es einfach keine anderen gab. Als ich damit anfing, hatte Fantasy in Deutschland leider noch ein Schmuddelimage.
Durch "Herr der Ringe" hat sich in Deutschland einiges verändert
Wie sehr hat Sie das geärgert?
Mir hat ein Buchhändler einmal vor einer Lesung ins Gesicht gesagt: "Wenn ich gewusst hätte, dass Sie solche Groschenheftchen schreiben, hätte ich Sie nicht eingeladen". Da war ich schon sauer und bin nur wegen der Fans geblieben. Im Nachhinein darf ich solchen Menschen aber gar nicht böse für ihre Abwertungen sein. Das war nun mal der Zeitgeist.
Wann ging es für Sie und das Fantasy-Genre bergauf?
Tolkien hat mit seinem "Herrn der Ringe" gerade in Deutschland unheimlich viel zum Guten bewegt, auch als Türöffner für wirklich erstklassige Fantasy, abseits von "Conan, der Barber". Es hat einfach eine Weile gedauert, bis das in die Köpfe der Kritiker gelangt ist. Bei machen ist es aber auch heute noch nicht dort angekommen. Dabei ist doch klar, dass sich die Fantastik, das ist auch das bessere Wort, ihren Platz in den Bücherregalen und den Bildschirmen längst erobert hat. Und den gibt sie auch nicht mehr her.
Für mehrere Hohlbein-Bücher gibt es schon Film-Ideen
"Der Greif" scheint nur der Anfang eines Hohlbein-Hypes. Die Constantin verfilmt gerade auch "Hagen von Tronje" von Ihnen.
"Hagen von Tronje" kommt als Kinofilm und als sechsteilige Serie. Die letzten Drehs in Tschechien und Island sind gerade beendet worden, und ich bin sehr gespannt auf die erste Schnittfassung dieses groß angelegten Projekts.
Welche Ihrer Werke würden Sie gerne verfilmt sehen?
Bei "Märchenmond" gibt es gerade ernsthafte Verhandlungen. Ebenso ist geplant, aus "Der Hexer von Salem" eine zehnteilige Miniserie zu machen. Beim "Druidentor" war man schon weiter. Da existiert ein tolles Konzept, ein super Drehbuch. Da kam bisher nur leider nichts zustande. Es gibt aber wieder Ideen das Projekt zu reaktivieren. Diesen Roman von mir würde ich gerne als Film oder Serie sehen.
Alle sechs Folgen von "Der Greif" ab Donnerstag auf Prime Video